Rz. 86
Die unterschiedliche Bewertung der Wehrdienstzeiten beruht nach der Begründung des Gesetzgebers zu § 256a Abs. 4 darauf, dass im alten Bundesgebiet im Zeitraum von 1961 bis 1981 tatsächlich Beiträge für die zurückgelegten Wehrdienstzeiten entrichtet wurden, im Beitrittsgebiet jedoch nicht. Die von § 256 Abs. 3 Satz 1 abweichende Bewertung der Wehrdienstzeiten im Beitrittsgebiet in § 256a Abs. 4 ist verfassungsrechtlich daher nicht zu beanstanden und verstößt nicht gegen das Grundgesetz, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und/oder gegen Art. 14 Abs. 1 GG (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 20.1.2022, L 3 R 208/21). Verfassungsrechtliche Bedenken insbesondere wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG bestehen nicht. Ungleiches muss auch ungleich behandelt werden. Wehrpflichtige, die nach dem Recht der DDR ihrer Dienstpflicht nachkamen, waren dort nicht versicherungspflichtig (BSG, Urteil v. 1.2.2005, B 8 KN 5/03 R, Rz. 17). In Westdeutschland hingegen bestand Versicherungspflicht. Mit dem Rentenversicherungsneuregelungsgesetz zum 1.1.1957 wurde die Versicherungspflicht von Wehrdienstleistenden in der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt. Bis zum 31.12.1991 bestand die Versicherungspflicht nach dem § 1227 RVO. Seit dem 1.1.1992, mit der Einführung des SGB VI, ist die Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI geregelt. Wehrdienstzeiten sind Pflichtbeitragszeiten gemäß § 55 SGB VI. Auf diesen Grund der Ungleichbehandlung stellte auch der Gesetzgeber ab in der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) zur Einführung des § 256b Abs. 4 (BT-Drs. 12/405 S. 127; vgl. insoweit auch die Überlegungen der DRV – GRA der DRV zu § 256a SGB VI, Stand: 1.7.2024, Abschn. 9.1).
Rz. 86a
256a Abs. 4 ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die von § 256 Abs. 3 Satz 1 abweichende Bewertung der Wehrdienstzeiten im Beitrittsgebiet in § 256a Abs. 4 verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Sächs. LSG, Urteil v. 9.11.2022, L 10 R 313/22, Rz. 20; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 12.1.2023, L 16 R 580/22, Rz. 12; Sächs. LSG, Urteil v. 19.4.2022, L 5 R 566/21; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 15.8.2022, L 3 R 108/22, Rz. 22; vgl. auch: BSG, Beschluss v. 15.6.2023, B 5 R 67/23 B, Rz. 20 f.; BSG, Beschluss v. 15.6.2023, B 5 R 217/22 B, Rz. 14 f.; BSG, Beschluss v. 22.12.2022, B 5 R 119/22 B).
Rz. 86b
Wehrdienstzeiten im Beitrittsgebiet, für die in den alten Bundesländern in der Zeit vom 1.5.1961 bis zum 31.12.1981 wegen einer entsprechenden Beitragszahlung 1,0000 Entgeltpunkte pro Kalenderjahr berücksichtigt werden, können nicht entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 256a Abs. 4 behandelt werden. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht, wesentlich Ungleiches rechtlich gleich zu behandeln. Auch für diesen Zeitraum sind somit die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Wehrdienstzeiten (ab 25.1.1962) entsprechend § 256a Abs. 4 nur mit 0,7500 Entgeltpunkten für jedes volle Kalenderjahr zu bewerten. Dies wurde vom BSG bestätigt (vgl. BSG, Beschluss v. 15.6.2023, B 5 R 217/22 B). Die daraufhin erfolgte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss v. 30.11.2023, 1 BvR 1509/23; vgl. auch GRA der DRV zu § 256a SGB VI, Stand: 1.7.2024, Abschn. 9.1; vgl. auch teilweise Parallelentscheidung zu BSG, Beschluss v. 15.6.2023, B 5 R 217/22 B: BSG, Beschluss v. 15.6.2023, B 5 R 67/23 B).