Rz. 63
Abs. 4a ist durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) rückwirkend mit Wirkung zum 1.1.1997 ins SGB VI eingefügt worden und auch auf Zeiten einer schulischen Ausbildung anzuwenden, die vor dem 1.1.1997 zurückgelegt worden sind. Die Rückwirkung des Inkrafttretens der in Abs. 4a enthaltenen Regelung verstößt nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil v. 6.2.2003, B 13 RJ 5/02 R) weder gegen den in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Eigentumsgarantie noch gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG.
Die Vorschrift regelt ergänzend zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, dass Zeiten einer schulischen Ausbildung, die neben einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt worden sind, nur als Anrechnungszeiten zu berücksichtigen sind, wenn der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung unter Berücksichtigung des Zeitaufwands für die versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegt.
Nach der Gesetzesbegründung zum 4. Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 (a. a. O.) kann die Anerkennung einer schulischen Ausbildung als Anrechnungszeit neben einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit zu einer spürbaren Minderung der Rentenhöhe führen, wenn die dadurch als beitragsgemindert anzusehende Beitragszeit relativ hohe Werte erreicht. Durch Abs. 4a wird geregelt, dass bei Prüfung der überwiegenden Inanspruchnahme von Zeit und Arbeitskraft für die schulische Ausbildung auch die Belastung durch eine parallel ausgeübte versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zu berücksichtigen ist. Damit wird ausgeschlossen, dass Personen, die neben einer versicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung z. B. eine Abendschule mit einem Zeitaufwand von 25 Stunden wöchentlich besuchen, diese Zeit als Anrechnungszeit anerkannt bekommen. Die zeitgleiche Beitragszeit bleibt damit vollwertig und kann nicht mit niedrigen beitragsgeminderten Zeiten wegen beruflicher Ausbildung verrechnet werden, was weiterhin deren Aufwertung ermöglicht. Die Regelung ist zum 1.1.1997 in Kraft getreten, da von diesem Zeitpunkt an die Bewertung der Pflichtbeiträge zu Beginn des Berufslebens durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) v. 25.9.1996 (BGBl. I S. 1461) geändert wurde und sich seither diese nachteiligen Auswirkungen ergeben. Für Bestandsrentner ist durch § 309 das Antragsrecht für eine Neufeststellung sichergestellt (BT-Drs. 14/4375 v. 24.10.2000 S. 53).
Schulische Anrechnungszeiten (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4), die zeitgleich mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung/Tätigkeit zusammentreffen, sind bei der Rentenberechnung als beitragsgeminderte Zeiten i. S. v. § 54 Abs. 3 Satz 1 zu berücksichtigen und erhalten gemäß § 71 Abs. 2 grundsätzlich einen Zuschlag an Entgeltpunkten. Die Regelung zur Bewertung von beitragsgeminderten Zeiten bewirkt allerdings nicht in jedem Fall einen höheren Rentenzahlbetrag. Ausschlaggebend dafür, ob sich eine vollwertige Beitragszeit i. S. v. § 54 Abs. 2 bei der Rentenberechnung günstiger auswirkt als eine beitragsgeminderte Zeit i. S. v. § 54 Abs. 3 Satz 1, ist die Höhe des neben der schulischen Ausbildungszeit erzielten versicherten Arbeitsentgelts/Arbeitseinkommens.
Die Anwendung von Abs. 4a setzt voraus, dass eine schulische Ausbildung, die aufgrund ihres zeitlichen Umfangs von mehr als 20 Stunden wöchentlich grundsätzlich als Ausbildungsanrechnungszeit i. S. v. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 anerkannt werden könnte, zeitlich mit einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit zusammentrifft.
Als versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zählen bei Anwendung von Abs. 4a (analog zu Abs. 2 der Vorschrift) neben Beitragszeiten aufgrund einer Versicherungspflicht i. S. v. § 1, § 2 oder § 4 Abs. 1 und Abs. 2 auch
- Beschäftigungszeiten, für die eine Nachversicherung (§ 8 Abs. 2) durchgeführt worden ist,
- Zeiten der Ausübung einer geringfügig entlohnten versicherungspflichtigen Beschäftigung,
- Wehr- und Zivildienstzeiten oder Zeiten eines versicherten Wehrdienstverhältnisses besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes, in denen Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 2a bestanden hat (ISRV: AF: SGB VI § 58 AFNR 68).
Dabei sind als versicherte Beschäftigung auch Zeiten anzusehen, in denen das Beschäftigungsverhältnis ohne tatsächliche Arbeitsleistung – mit oder ohne Entgeltfortzahlung – fortbestanden hat (z. B. während eines Tarifurlaubs, bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, bei Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ohne Arbeitsentgelt gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV).
Sonstige Zeiten der Versicherungspflicht aus den in § 3 Satz 1 Nr. 1, 1a, 3, 3a, 4 oder § 4 Abs. 3 genannten Gründen gelten nicht als Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit i. S. v. Abs. 4a.
Grundsätzlich gilt Abs. 4a sowohl für Ausbildungsanrechnungszeiten in den alten Bundesländern als auch für solche, die in den neuen Bundesländern vor Inkrafttreten von Bundesrecht zurückgelegt worden sind. Abweichend hiervo...