Rz. 4
Versicherte können – wie Abs. 1 zu entnehmen ist (vgl. hierzu Rz. 1) – Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung haben. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der Zahlungsanspruch, nicht das Rentenstammrecht i. S. d. § 40 SGB I, obwohl die Frage, welche Rente zu leisten, d. h. zu zahlen ist, bei zeitgleich bestehenden Ansprüchen auf mehrere der in § 89 Abs. 1 aufgeführten Renten vielmehr gerade durch § 89 geregelt wird. Da § 89 jedoch auf "für denselben Zeitraum" bestehende Rentenansprüche abstellt, ist davon auszugehen, dass hierbei die auf der Grundlage eines Rentenantrags aus dem Rentenstammrecht abgeleiteten, auf einen bestimmten Zeitraum bezogenen (monatlichen) Einzelzahlungsansprüche gemeint sind. Soweit Renten nicht von Amts wegen zu leisten sind, setzt die von § 89 erfasste und geregelte Kollisionslage mithin eine wirksame Rentenantragstellung (§ 115) bezüglich der einzelnen kollidierenden Renten(-ansprüche) voraus, auch wenn die Antragstellung – ungeachtet ihrer materiell-rechtlichen Bedeutung für den Rentenbeginn (vgl. §§ 99, 101) – nicht zu den materiellen Anspruchsvoraussetzungen zählt.
Allerdings ist dabei nicht zu fordern, dass die einzelnen Renten und damit auch und insbesondere die höchste Rente ausdrücklich beantragt wird. Nach § 2 Abs. 2 HS 2 SGB I sind die Rentenversicherungsträger verpflichtet davon auszugehen, dass der Versicherte stets die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen will. Diese Verpflichtung begründet den Auslegungsgrundsatz, dass in einem Antrag auf Gewährung einer bestimmten Rente im Zweifel ein Antrag auf Gewährung der höchsten Rente zu sehen ist und ein einmal gestellter Rentenantrag umfassend, d. h. auf alle nach Lage des Falls in Betracht kommenden Leistungen, insbesondere Rentenansprüche, zu prüfen ist (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. insbesondere zum Fall der Rentenantragstellung BSG, Urteil v. 29.11.2007, B 13 R 44/07 R). Von den einzelnen Versicherten kann nicht verlangt werden, dass sie über alle Rentenarten und deren Anspruchsvoraussetzungen informiert sind; daher kann ohne ausdrücklich erklärte Beschränkung nicht angenommen werden, dass Versicherte bei Rentenantragstellung bestimmte Rentenarten ausschließen wollen. Dies gilt insbesondere bei Rentenantragstellung durch Verwendung von Vordrucken, wobei den Versicherten möglicherweise nicht bewusst ist, dass auch mehrere Rentenarten angekreuzt werden können. Vielmehr hat sich die Auslegung eines Leistungsantrags danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z. B. BSG, SozR 4 – 2600 § 43 Nr. 5 Rz. 14, und BSGE 96 S. 161). § 89 findet danach auch dann Anwendung, wenn zunächst nur eine oder durchaus auch mehrere Renten beantragt wurden und sich im Nachhinein herausstellt, dass sich der Rentenantrag bei Auslegung nach den vorbeschriebenen Grundsätzen auch auf eine weitere, höhere Rente erstreckt, die dann nach § 89 zu leisten ist. § 89 regelt damit die Anspruchskonkurrenz bei (Zahlungs-)Ansprüchen auf mehrere Renten dahingehend, dass nur die höchste Rente zu zahlen ist und der Anspruch auf die übrigen Renten ruht, solange der Anspruch auf die höhere Rente besteht (vgl. BSG, Urteil v. 31.10.2002, B 4 RA 9/01 R).