Rz. 2
Die Vorschriften in den §§ 99 bis 102 bestimmen den Zeitpunkt des Entstehens und der Fälligkeit der aus dem Stammrecht resultierenden Einzelansprüche. Der tatsächliche Rentenbeginn ist jedoch unabhängig von Ruhensbestimmungen (§§ 90ff.) oder Verjährungsvorschriften (§ 45 SGB I) davon abhängig, dass ein Rentenantrag rechtzeitig gestellt wird.
Der Antrag (Leistungsantrag i. S. v. § 16 SGB I) ist Voraussetzung für die Einleitung des Verwaltungsverfahrens beim Versicherungsträger (§ 115 Abs. 1). Das Rentenverfahren beginnt somit an dem Tag, an dem der Antrag gestellt wird, also dem Rentenversicherungsträger zugeht. Dies gilt auch in den Fällen des § 116, wobei dort der Rentenantrag aufgrund des Reha-Antrags fingiert wird, soweit die Voraussetzungen gemäß § 116 Abs. 2 erfüllt sind. Es kommt dann auf den Zugang des Reha-Antrags an. Für Witwen-/Witwerrenten gilt gemäß § 115 Abs. 2 der Antrag auf Zahlung eines Vorschusses als Antrag auf die Hinterbliebenenrente. Eine materiell-rechtliche Wirkung in dem Sinne, dass das Stammrecht erst durch die Antragstellung ausgelöst wird, besteht nicht. Das Stammrecht auf eine Rente entsteht bereits mit der Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen. Die (fristgerechte) Antragstellung bewirkt nur, dass aus dem bestehenden Stammrecht ein Zahlungsanspruch wird, also die aus dem Stammrecht abgeleitete erste Einzelleistung entsteht (Hess. LSG, Urteil v. 23.4.2008, 5 R 22/06). Der Antrag kann vom Antragsteller jederzeit zurückgenommen werden und vernichtet damit die ursprüngliche Wirkung des Antrages rückwirkend (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 26.2.2016, L 14 R 774/15, und Urteil v. 12.1.2018, L 14 R 185/17).
Rz. 3
Antragsberechtigt ist neben dem Versicherten und Hinterbliebenen auch der jeweilige Träger der Grundsicherung, dem der Gesetzgeber ein eigenständiges Antragsrecht in § 5 Abs. 3 SGB II und § 95 SGB XII (früher § 91a BSHG) eingeräumt hat. Der Rentenantrag ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die voraussetzt, dass der Erklärende gemäß § 11 SGB X in der Lage ist, Handlungen im Verwaltungsverfahren vorzunehmen. Das können neben geschäftsfähigen Personen (§ 11 Nr. 1 SGB X) auch Minderjährige sein, die das 15. Lebensjahr vollendet haben (§ 11 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 36 SGB I). Einer besonderen Form bedarf der Antrag nicht. Er setzt nur eine auf die Gewährung der Leistung gerichtete Willenserklärung gegenüber einer der in § 26 SGB I genannten Stellen voraus. Wird ein Rentenantrag von einem Geschäftsunfähigen (ohne gesetzlichen Vertreter) gestellt, so beginnt die Antragsfrist des § 99 mit der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters. Insoweit ist der Rechtsgedanke aus § 210 BGB entsprechend anzuwenden.
Rz. 4
Da der Rentenversicherungsträger den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (§ 20 SGB X), müssen auch nur auf bestimmte Rentenarten gerichtete Anträge in Anträge auf andere Rentenarten umgedeutet werden, wenn dies den erkennbaren Interessen des Antragstellers entspricht. Denn es ist i. d. R. davon auszugehen, dass der Rentenantragsteller eine Rentenleistung vom Rentenversicherungsträger begehrt, wobei es für ihn unerheblich ist, welche genaue Bezeichnung zutreffend ist. So umfasst z. B. ein Antrag auf Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen auch sämtliche anderen Altersrenten. Auch kann ggf. ein Altersrentenantrag in einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit umgedeutet werden.