Rz. 4
Die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten beruht auf einer Vollmacht des Vertretenen, also auf einem Rechtsgeschäft (vgl. §§ 166 Abs. 2, 167 BGB) und nicht auf Gesetz. Dabei sind die Vertretungsbefugnisse im Außenverhältnis und das Innenverhältnis zwischen Bevollmächtigtem und Vollmachtgeber zu unterscheiden. Die Vollmacht wirkt nur nach außen und ist vom Rechtsgeschäft zu unterscheiden, welches das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem regelt. Eine Überschreitung der im Innenverhältnis getroffenen Abmachungen kann eine Schadensersatzpflicht des Bevollmächtigten begründen, berührt aber grundsätzlich nicht die Wirksamkeit der im Rahmen einer Vollmacht vorgenommenen Vertretungshandlungen. Im Verhältnis zur Behörde ist die Vollmacht Verfahrenshandlung, im Verhältnis zu dem Bevollmächtigten Rechtsgeschäft. Der Umfang der Vollmacht ist nach Abs. 1 Satz 2 unbeschränkt, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Die Vollmacht ermächtigt zu allen Verfahrenshandlungen, die das Verwaltungsverfahren betreffen, also insbesondere zur Stellung von Anträgen, zur Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen. Auch zu privatrechtlichen Willenserklärungen (z. B. Vergleich, Verzicht, Anerkenntnis) dient die Vollmacht. Verfahrenshandlungen, die vom Beteiligten nur höchstpersönlich vorgenommen werden können (z. B. eidesstattliche Versicherung, persönliche Anhörung oder die Einwilligung in die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten gemäß § 67 Abs. 2), werden von der Vollmacht nicht gedeckt. Auch ist die Befugnis der Beteiligten zu einem eigenen Sachvortrag durch die Vollmacht nicht eingeschränkt.
Rz. 5
Eine Beschränkung der Vollmacht auf einzelne Verfahrenshandlungen oder -abschnitte ist zulässig, für die Behörde jedoch so lange unbeachtlich, wie sie sich nicht aus dem Inhalt ergibt. Grundsätzlich bedarf die Vollmacht aber keiner besonderen Form; sie kann auch mündlich erteilt werden, und zwar gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder der Behörde. Auf Verlangen muss der Bevollmächtigte seine Vollmacht allerdings schriftlich nachweisen (Abs. 1 Satz 3), etwa dann, wenn Zweifel an der Vollmacht bestehen. Die Behörde entscheidet hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Wenn ein Bevollmächtigter ohne Vollmacht diese nicht innerhalb einer von der Behörde gesetzten Frist nachweist, werden seine Erklärungen unwirksam, falls sie der Beteiligte nicht genehmigt. Das Fehlen der Vollmacht kann durch Genehmigung während des Verwaltungsverfahrens nachträglich geheilt werden.
Die Behörde ist berechtigt, einen Widerspruch als unzulässig zu verwerfen, sofern der Bevollmächtigte die Vollmacht nicht innerhalb der ihm von der Behörde gesetzten – angemessenen – Frist nachgewiesen hat und er auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs bei fehlendem Nachweis der Vollmacht hingewiesen wurde. Wurde der Widerspruch sodann als unzulässig verworfen, kann der Mangel der fehlenden Vollmacht in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nicht mehr geheilt werden (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 30.4.2013, L 3 AS 98/13; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.1. 2013, L 25 AS 1146/11 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.10.2013, L 2 AS 1342/13 B).
Aus Gründen der Rechtssicherheit lässt Abs. 1 Satz 4 den Widerruf im Außenverhältnis gegenüber der Behörde nicht sofort, sondern erst mit seinem Zugang bei ihr wirksam werden. Eine bestimmte Form für den Widerruf ist dabei nicht vorgeschrieben, ebenso wenig Schriftform.
Die Vollmacht endet mit dem Tod bzw. dem Verlust der Handlungsfähigkeit des Bevollmächtigten, nicht hingegen erlischt sie mit dem Tod bzw. dem Verlust der Handlungsfähigkeit des Vollmachtgebers. Für diesen Fall hat der Bevollmächtigte auf Verlangen der Behörde die Bevollmächtigung durch den Rechtsnachfolger des Beteiligten beizubringen (Abs. 2). Die Vollmacht für das Verwaltungsverfahren dauert so lange wie dieses. Es endet mit dem Eintritt der Bindungswirkung des beantragten Bescheids, spätestens mit der Rechtskraft des Urteils (BSG, Urteil v. 2.11.2005, B 6 KA 43/05 B, RegNr. 27590, BSG).