Rz. 3
Die Gründe für die Bestellung sind in § 15 Abs. 1 abschließend aufgezählt. Im Falle des Abs. 1 Nr. 1 – Vertreterbestellung für einen unbekannten Beteiligten – liegt zwar bereits ein Beteiligungsverhältnis vor, ungewiss ist aber, welche konkrete Person Beteiligter ist. Dabei kommen insbesondere Fälle in Betracht, in denen nicht sicher ist, wem ein Recht zusteht, und in denen ungewiss ist, wer Beteiligter im Sinne von § 12 ist. Unbekannt ist eine Person dann, wenn der Behörde nicht bekannt ist, wem die mit der Beteiligtenbestellung verknüpften Rechte und Pflichten zustehen. Als unbekannt kann die Person des Beteiligten aber erst angesehen werden, wenn die Behörde zuvor nach § 20 ernsthaft zu ermitteln versucht hat. Der wichtigste Fall im Sozialrecht dürfte die Erbengemeinschaft sein, deren Zusammensetzung innerhalb angemessener Frist nicht geklärt werden kann. Vertreter von Amts wegen können nicht nur für natürliche Personen, sondern nach herrschender Meinung auch für juristische Personen bestellt werden, sofern der gesetzliche Vertreter unbekannt ist.
Rz. 4
Abs. 1 Nr. 2 betrifft einen bekannten Beteiligten, dessen Aufenthalt unbekannt ist (1. Alternative) oder der an der Besorgung seiner Angelegenheiten wegen der räumlichen Entfernung verhindert ist (2. Alternative). Unbekannt ist der Aufenthalt, wenn der Ort, an dem sich der Beteiligte aufhält, und die Anschrift, unter der er erreicht werden kann, nicht bekannt sind. Kurzzeitige Abwesenheit mit unbekanntem Aufenthalt, bei der mit einer Rückkehr gerechnet werden kann, genügt regelmäßig nicht; es reicht aber aus, dass die Behörde nicht ohne schwierige zeitraubende Ermittlungen feststellen kann, wo sich der Beteiligte aufhält. Verhindert im Sinne der 2. Alternative ist ein Beteiligter, dem die Besorgung seiner Angelegenheiten wegen Abwesenheit oder aus anderen Gründen nicht möglich ist. Für die Abwesenheit ist auf den Ort abzustellen, an dem die Verfahrenshandlung vorzunehmen ist. Regelmäßig dürfte dies der Wohnort sein. Eine Verhinderung zu bejahen ist bei einer längeren Auslandsreise.
Rz. 5
In Abs. 1 Nr. 3 ist die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen für einen Beteiligten geregelt, der einerseits keinen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB hat und der andererseits erfolglos zur Ernennung eines selbst gewählten Vertreters aufgefordert worden ist. Dabei kommen nur bekannte Beteiligte in Betracht. Es kommt auf den tatsächlichen Aufenthalt für einen nicht ganz unerheblichen Zeitraum und nicht auf den Wohnsitz an. Bei der Fristsetzung sind die mit der Ortsferne verbundenen Schwierigkeiten von der Behörde entsprechend zu berücksichtigen. Bei ihrer Bemessung gelten dieselben Erwägungen wie bei der Fristsetzung nach § 14. Die Aufforderung, einen Vertreter zu bestellen, ist – im Gegensatz zum Verlangen nach § 14 Satz 1 – kein (anfechtbarer) Verwaltungsakt, denn es soll lediglich die Entscheidung des Gerichts, gegen die der Beteiligte sich mit der Beschwerde wenden kann, vorbereitet werden. Im Rahmen der Ermessensentscheidung muss die Behörde stets prüfen, ob die Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten ausreicht oder ob zur Durchführung des Verwaltungsverfahrens die Bestellung eines Vertreters erforderlich ist.
Rz. 6
Eine psychische Krankheit oder körperliche, geistige bzw. seelische Behinderung (z. B. Taubheit, Blindheit, Stummheit, starke Schwerhörigkeit oder Sehschwäche) rechtfertigen nach Abs. 1 Nr. 4 die Bestellung eines Vertreters nur, wenn sie den Beteiligten außerstande setzen, selbst das Verwaltungsverfahren zu betreiben. Dabei ist auf den Einzelfall abzustellen. Allein die Ungeeignetheit zum schriftlichen oder mündlichen Vortrag reicht nicht aus. Die psychische Krankheit oder körperliche, geistige bzw. seelische Behinderung muss ursächlich dafür sein, dass der Beteiligte nicht imstande ist, im Verwaltungsverfahren selbst tätig zu werden. Zur Feststellung der durch Krankheit oder Behinderung bedingten Unfähigkeit im Verwaltungsverfahren selbst tätig zu sein, muss die Behörde kein Sachverständigengutachten einholen; es reichen insoweit konkrete begründete Anhaltspunkte, insbesondere Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, aus (BSG, Urteil v. 5.4.2000, B 5 RJ 38/99 R, BSGE 86 S. 107 = SozR 3-1200 § 2 Nr. 1). Ist ein Betreuer i. S. d. §§ 1896 ff. BGB bestellt, dessen Aufgabenbereich das Verwaltungsverfahren mit umfasst, hat der Beteiligte einen Vertreter, so dass § 15 nicht anwendbar ist. Ein gegenüber einem Geschäftsunfähigen erlassener Verwaltungsakt wird erst mit der Bekanntgabe an den besonderen Vertreter nach § 15 Abs. 1 wirksam (BSG, Urteil v. 2.7.1997, 9 RV 14/96, BSGE 80 S. 283 = SozR 3-1500 § 50 Nr. 19).