Rz. 3
Nach Abs. 1 Satz 1 ist die Amtssprache deutsch. Dies gilt sowohl für den schriftlichen als auch den mündlichen Vortrag der Behörde und der Beteiligten. Unter "deutsch" ist, jedenfalls im Schriftverkehr, in erster Linie die deutsche Hochsprache zu verstehen, daneben sind aber auch die Fach- und Umgangssprache prinzipiell zulässig. Außerdem können – jedenfalls bei mündlicher Kommunikation – auch deutsche Dialekte, z. B. friesisch oder bayerisch – zumindest da, wo alle Beteiligten den entsprechenden Dialekt verstehen, verwendet werden. Der Gebrauch fremdsprachlicher Begriffe der Fachsprache ist möglich, wenn diese Begriffe in einem Fachgebiet allgemein geläufig sind, wenn sich eine einheitliche und bedeutungsgleiche deutsche Übersetzung (noch) nicht herausgebildet hat oder wenn dem (nur) deutsch sprechenden Fachmann ihre Bedeutung ohne weiteres klar ist (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 8.4. 2005, 10 B 2502/04).
In amtlichen Mitteilungen, Entscheidungen und Bescheiden ist ausschließlich die deutsche Sprache zu verwenden. Dies gilt auch für Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelbelehrungen. Dies schließt allerdings die Befugnis der Behörden und Sozialleistungsträger nicht aus, in der täglichen Verwaltungspraxis im Umgang mit Ausländern den in deutscher Sprache abgefassten Schreiben eine Übersetzung beizufügen, sich deren Sprache zu bedienen oder Merkblätter und Broschüren in fremden Sprachen herauszugeben. Letzteres empfiehlt sich vor allem in Hinblick auf die §§ 13 bis 15 SGB I (BSG, Urteil v. 24.4.1997, 11 RAr 89/96). Dass Merkblätter oder Formulare nur in bestimmten Sprachen zur Verfügung gestellt werden, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn hierfür ein sachlicher Grund, wie z. B. die Häufigkeit des Auftretens der Sprache im Inland, besteht (VG Neustadt, Beschluss v. 27.9. 2013, 3 K 623/13.NW).
Rz. 4
Ein Ausländer hat keinen Anspruch darauf, dass an ihn gerichtete amtliche Schriftstücke in seiner Heimatsprache abgefasst werden. Er (nicht die Behörde) muss sich vielmehr, wenn er der deutschen Sprache nicht (hinreichend) mächtig ist, über den Inhalt des Schriftstücks mithilfe eines Dolmetschers Klarheit verschaffen (vgl. BSG, Urteil v. 24.4.1997, 11 RAr 89/96). Darin liegt keine Verletzung des Art. 3 Abs. 3 GG, denn zum Ausgleich sprachbedingter Erschwernisse, die im Tatsächlichen auftreten, verpflichtet das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG nicht (BVerfG, Beschluss v. 17.5.1983, 2 BvR 731/80, BVerfGE 64 S. 135). Zu trennen ist davon die Frage, unter welchen Voraussetzungen vom Inhalt eines Dokuments fahrlässig keine Kenntnis erlangt wurde (vgl. BSG, Urteil v. 24.4.1997, 11 RAr 89/96, AuB 1997 S. 282). Allerdings ist es grundsätzlich Aufgabe des der Amtssprache nicht hinreichend mächtigen Ausländers, das Verständigungsproblem, etwa durch Hinzuziehung eines Dolmetschers, auszuräumen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 31.1.2007, L 12 AL 124/06).
Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 GG ist einem Ausländer evtl. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er keine sprachlich verständliche Rechtsbehelfsbelehrung erhalten hat (BVerfG, Beschluss v. 10.6.1975, 2 BvR 1074/74, BVerfGE 40 S. 95).
§ 19 gilt entsprechend für das Widerspruchsverfahren, wenngleich dieses in den §§ 78 ff. SGG, §§ 68 ff. VwGO und §§ 44 ff. FGO geregelt ist, gleichwohl aber Verwaltungsverfahren bleibt.
Rz. 5
Nach Abs. 1 Satz 2 haben Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen (vgl. § 6 Abs. 3 BGG) das Recht, zur Verständigung die Deutsche Gebärdensprache zu verwenden oder mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Diese Regelung entspricht der allgemein für Sozialleistungen geltenden Vorschrift des § 17 Abs. 2 SGB I. Die Aufwendungen, die durch die Kommunikationshilfen entstehen, sind von der hinzuziehenden Behörde bzw. dem Leistungsträger zu tragen. Durch Satz 3 wird geregelt, dass sich die Vergütung auch im Sozialverwaltungsverfahren nach der Kommunikationshilfenverordnung richtet.
Der Umstand, dass ein Versicherter nicht Deutsch als Muttersprache hat, ist keine Behinderung i. S. v. Abs. 1 Satz 2. Weder Krankenkassen noch Zulassungsgremien sind deshalb verpflichtet, allen Versicherten Leistungserbringer zur Verfügung zu stellen, mit denen sie sich in ihrer Muttersprache verständigen können (BSG, Urteil v. 6.2.2008, B 6 KA 40/06 R, SozR 4-5520 § 31 Nr. 3).
Rz. 5a
Abs. 1a dient der Verwirklichung des Ziels, Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen herzustellen. Durch die Kommunikation in leichter Sprache entsprechend § 11 BBG soll insbesondere den Belangen von Menschen mit geistigen Behinderungen Rechnung getragen werden.