Leichte Sprache in Behördentexten

Texte von Behörden, die sich direkt an die Bürgerinnen und Bürger wenden, werden immer häufiger in sogenannter „leichter Sprache“ angeboten. Warum ist das so und muss jetzt jeder Behördentext in leichter Sprache geschrieben werden?

Wenn Geld zur «Teilhabeleistung» wird, oder die Brücke zum «Überwerfungsbauwerk», dann hat man es wahrscheinlich mit einem Schreiben vom Amt zu tun. Aus den Antworten auf Unterstützungs- oder Bauanträge die wichtigen Informationen zu ziehen, dürfte nicht wenigen Menschen Kopfzerbrechen bereiten. Jetzt können Behörden in Baden-Württemberg ihren Briefverkehr mithilfe eines Online-Portals auf ein anderes Sprachlevel übersetzen. Im Januar waren laut Sozialministerium landesweit schon 124 Ämter, Gemeinden, Städte, Landkreise und Ministerien auf der Plattform angemeldet.

Verwendung von leichter Sprache in Behördentexten

Träger öffentlicher Gewalt seien gesetzlich dazu verpflichtet, einfach und verständlich zu kommunizieren. Der Hintergrund: Menschen mit Behinderungen sollen selbstständig am öffentlichen Leben teilhaben können. Auch Menschen, für die Deutsch keine Muttersprache ist, können Texte so besser verstehen, heißt es aus der Landesmigrantenvertretung.

Im Internet müssen Behörden laut Ministerium schon seit Mitte vergangenen Jahres für Barrierefreiheit sorgen. Deshalb übersetzen vielen Behörden die Informationen auf ihren Webseiten in sogenannte «leichte Sprache». Für den Briefverkehr bietet seit Dezember die landesweite Übersetzungs-Plattform des Sozialministeriums eine schnelle Lösung: Textbausteine in leichter Sprache für standardisierte Dokumente aus dem Amt.

Behördentexte liegen auf einer Verständlichkeitsskala für gewöhnlich weit hinten, sagt Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Grund dafür sei zum einen die Arbeitsweise in Ämtern: Fremdwörter und verstaubte Begriffe finden sich demnach in alten Dokumenten, die dann als Vorlage für aktuelle Schreiben dienen. «Teilweise werden die einfach von Generation zu Generation weitergegeben», sagt der Kommunikationswissenschaftler. «Da müsste man bestimmte Begriffe einfach streichen.» Andererseits sei die deutsche Sprache besonders anfällig für komplizierte Ausdrucksweisen: «So ewig lange Sätze, die findet man woanders kaum. Aber vor allem die Wortzusammensetzungen! - Das hat man in keiner anderen Sprache», sagt Brettschneider.

Textungetüme aus den Behörden seien aber nicht nur anstrengend zu lesen, sie senkten auch das Interesse der Bürger und Bürgerinnen für Politik und gesellschaftliche Diskussionen. «Das wird immer unterschätzt: Wenn ich permanent Informationen bekomme, die ich nicht verstehe, dann schalte ich ab», erklärt Argyri Paraschaki-Schauer, die Landeschefin der kommunalen Migrantenvertretung. In der Pandemie habe sie alle Hände voll zu tun, verzweifelten Eltern die neuen Schulverordnungen aus dem Kultusministerium zu erklären. «Das waren teilweise bis zu 15, 20 Blätter, die man ausdrucken und durchlesen musste und zum Schluss nicht wirklich verstanden hat, worauf es eigentlich ankam.»

Kurze Sätze und keine abstrakten Begriffe

Die leichte Sprache soll Menschen mit Behinderungen oder Lernschwierigkeiten dabei helfen, sich selbstständig zu informieren. Deshalb hat sie klar definierte Regeln: kurze Sätze, ein Gedanke pro Satz und keine abstrakten Begriffe. Texte in leichter Sprache sind für das Sprachniveau A1 und A2 geschrieben.

Die leichte Sprache helfe aber nicht nur Menschen mit Einschränkungen, Lernschwierigkeiten oder niedrigen Deutschkenntnissen, sagt Simone Fischer, die Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Profitieren könnten auch Demenzkranke und ältere Menschen, Kinder und Jugendliche - generell alle, die schnell das Wesentliche eines Sachverhaltes erfassen wollen. Denn aus folgendem Satz: «Die Höhe richtet sich nach dem individuell festgestellten Bedarf. Es soll die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Budget zu erbringenden Leistungen aber nicht übersteigen» mache die leichte Sprache etwa: «Wie viel Geld man bekommt, ist unterschiedlich.
Das hängt davon ab, was man alles braucht.»

Risiko rechtlicher Unklarheit

Sollten Verwaltungen also immer in leichter Sprache kommunizieren? «Ja und Nein», meint der Kommunikationsexperte Brettschneider. «Komplett so zu schreiben, würde auch nicht empfängergerecht sein.» Statt in leichter sollten sich die Ämter aber durchaus in klarer Sprache üben. «Eine moderne Verwaltung müsste den BürgerInnen näher sein. Und die BürgerInnennähe muss sich auch in der Sprache ausdrücken.»

Aber auf dem Weg zu mehr Verständlichkeit gebe es noch ein großes Problem, sagen die Experten: Wer in leicht verständlicher Sprache schreibt, riskiere oft rechtliche Unklarheiten. «Es bräuchte eigentlich mehr juristische Einschätzungen in dem Zusammenhang, um da einen Schritt weiter zu gehen», so Fischer.

dpa