0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat mit dem SGB X v. 18.8.1980 (BGBl. I S. 1469) ab 1981 in Kraft und gilt in der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) mit Wirkung zum 1.1.2001.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift entspricht § 27 VwVfG und regelt Voraussetzung und Verfahren, in welchem die Behörde in einem Verwaltungsverfahren eine Versicherung an Eides statt abnehmen kann. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung dieses Rechtsinstituts liegt in der zunehmend unnötigen und oft rechtsgrundlosen Anforderung von eidesstattlichen Versicherungen durch die Verwaltungsbehörden begründet. § 23 gilt auch im Vor- und Widerspruchsverfahren sowie im Verfahren vor besonderen Ausschüssen, soweit diese Behörden i. S. v. § 1 Abs. 2 sind.
Die Vorschrift beinhaltet weder eine gesetzliche Grundlage zur Abnahme von Versicherungen an Eides statt noch zur Zulässigkeit der Glaubhaftmachung sondern sie setzt insoweit vielmehr Ermächtigungen voraus.
2 Rechtspraxis
2.1 Voraussetzungen zur Abnahme einer Versicherung an Eides statt
Rz. 2a
§ 23 ergänzt die Regelungen zur Aufklärung des Sachverhaltes nach §§ 20, 21. Während beweispflichtige Tatsachen im Sozialrecht grundsätzlich des Vollbeweises, d. h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, bedürfen, trifft § 23 Regelungen, sofern Rechtsvorschriften, d. h. Gesetze oder Rechtsverordnungen, die Glaubhaftmachung (vgl. Rz. 7) der entscheidungserheblichen Tatsachen genügen lassen. Solche Rechtsvorschriften enthalten z. B. §§ 256a Abs. 3 Satz 3, 259 Satz 1, 286a Abs. 1 Satz 1, 286b Satz 1, 2 SGB VI, § 4 Abs. 1 FRG.
Rz. 3
Die Abnahme (= Entgegennahme durch die Behörde) ist von der in Abs. 3 bis 6 geregelten Aufnahme (= schriftliche Niederlegung) der Versicherung an Eides statt zu unterscheiden. Die Voraussetzungen, unter denen die Behörde eine Versicherung an Eides statt verlangen und abnehmen darf, enthält Abs. 2 Satz 1. Die Vorschrift wird durch Abs. 2 Satz 3 ergänzt, und damit ist gleichzeitig die verwaltungsrechtliche Seite mit der strafrechtlichen in Übereinstimmung gebracht. Unter den Begriff der "Rechtsvorschrift" i. S. einer Zuständigkeitsvorschrift fallen nur Gesetze und Rechtsverordnungen, nicht jedoch Satzungen oder Verwaltungsvorschriften. Einer eidesstattlichen Versicherung, die ohne die erforderliche Ermächtigung angefordert und ab- bzw. aufgenommen wird, kommt kein größerer Beweiswert zu als einer formlosen Erklärung.
Rz. 4
Die Ermächtigung muss gegenstandsbezogen sein, d. h., sie muss genau angeben, welche Angaben sich die Behörde eidesstattlich versichern lassen kann. Die Versicherung an Eides statt darf nur bei der Ermittlung des Sachverhalts verlangt und abgenommen werden. Ermächtigungen zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung enthalten z. B. §§ 256a Abs. 3 Satz 5, 259 Satz 4, 286a Abs. 1 Satz 4, 286b Satz 4 SGB VI, § 4 Abs. 3 Satz 2 FRG.
Rz. 5
Ob die Behörde eine Versicherung an Eides statt verlangt, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Kann die Wahrheit jedoch auf andere Art und Weise erforscht werden, ist die Abnahme einer Versicherung an Eides statt, dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend (Abs. 2 Satz 2), unzulässig, ebenso Abs. 2 Satz 3, wenn der Betroffene zur Zeit der Vernehmung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mangels Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von Wesen und Bedeutung der Versicherung an Eides statt keine hinreichende Vorstellung besitzt (vgl. § 393 ZPO). Dazu gehören auch Personen, die erst das 15. Lebensjahr vollendet haben und nach § 36 SGB I selbständig einen Antrag auf Sozialleistungen stellen und verfolgen können. Geben sie dennoch eine solche Erklärung ab, so ist sie nach ihrem Beweiswert lediglich als einfache Aussage zu werten.
Rz. 6
Die Behörde hat keine Durchsetzungsmöglichkeit, wenn dem Verlangen zur Abgabe einer Versicherung an Eides statt nicht nachgekommen wird. Lediglich im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 20 (vgl. die Komm. dort) kann sie eine solche Weigerung berücksichtigen. Auch besteht kein Rechtsanspruch darauf, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Eine unverlangt eingereichte Versicherung an Eides statt darf von der Behörde nicht zurückgewiesen werden.Geht eine eidesstattliche Versicherung über den gesetzlich gezogenen Rahmen hinaus, so hat dieser Teil der Versicherung keinen größeren Beweiswert als jede andere Erklärung.
2.2 Glaubhaftmachung
Rz. 7
Abs. 1 Satz 2 entspricht der allgemeinen Auffassung, wann eine Tatsache als glaubhaft anzusehen ist (vgl. auch BSG, Urteil v. 22.9.1977, 10 RV 15/77, BSGE 45 S. 10). Die Glaubhaftmachung muss – genauso wie die Versicherung an Eides statt – in besonderen Rechtsvorschriften in den besonderen Teilen des SGB vorgesehen sein. Auch muss die sachliche Zuständigkeit der Behörde durch Rechtsvorschrift begründet sein.
Rz. 7a
Von den im Beweisrecht geltenden Beweismaßstäben Vollbeweis, Wahrscheinlichkeit und Glaubhaftmachung ist derjenige der Glaubhaftmachung der mildeste. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d. h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben kö...