BVerfG zur Besetzung der Präsidentenstelle am OVG NRW

Bei der Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst gilt der Grundsatz der Bestenauslese. Daher muss das Auswahlverfahren so organisiert sein, dass es sich dafür eignet, den fachlich besten Bewerber zu ermitteln und nicht sachlich begründete Vorfestlegungen zu vermeiden. Das hat das Bundesverfassungsgericht im Fall der Besetzung der Präsidentenstelle am Oberverwaltungsgericht NRW klargestellt.

Der Beschwerdeführer ist Bundesrichter und hatte sich erfolglos für die Stelle des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts (OVG) beworben. Das von ihm angestrengte verwaltungsgerichtliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Besetzung der Stelle mit einer anderen Bewerberin ist vor dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Hiergegen macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass die Auswahlentscheidung des nordrhein-westfälischen Ministers der Justiz ihn in seinem Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 Abs. 2 GG) verletze. Insbesondere sei sie nicht nach einer Bestenauswahl, sondern im Wege einer politischen Vorfestlegung zugunsten der Mitbewerberin aufgrund deren Geschlechts getroffen worden. Bereits bevor eine dienstliche Beurteilung der Mitbewerberin vorgelegen habe, habe der Minister in einem persönlichen Gespräch mit dem Beschwerdeführer von einem „Vorsprung“ der Mitbewerberin gesprochen und ihm nahegelegt, seine Bewerbung zurückzuziehen. Trotz seiner eidesstattlichen Versicherung dieser Vorgänge habe das Oberverwaltungsgericht diese Umstände des Auswahlverfahrens unaufgeklärt gelassen.

Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat der Verfassungsbeschwerde teilweise stattgegeben.

Die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG. Insoweit hat die Verfassungsbeschwerde Erfolg und führt zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht.

Sachwidrige Vorfestlegung widerspricht Grundsatz der Bestenauslese

Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daher muss das Auswahlverfahren so organisiert sein, dass es sich dafür eignet, den fachlich besten Bewerber zu ermitteln und nicht sachlich begründete Vorfestlegungen zu vermeiden. Werden im gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung einer Auswahlentscheidung Umstände vorgetragen, die auf eine Vorfestlegung anhand anderer, sachwidriger Kriterien hindeuten, müssen die Gerichte diese Umstände zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG aufklären und nachvollziehbar würdigen.

Eidesstattliche Versicherung hätte vom Oberverwaltungsgericht berücksichtigt werden müssen

Dem wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Der Beschwerdeführer hat auf eine sachwidrige Vorfestlegung hindeutende Umstände an Eides statt versichert, insbesondere eine noch vor dem Vorliegen der dienstlichen Beurteilung der Mitbewerberin gefallene Äußerung des Ministers zu einem „Vorsprung“ der Mitbewerberin. Gleichwohl hat das Oberverwaltungsgericht mit einer verfassungsrechtlich nicht tragfähigen Begründung angenommen, es gebe keinen tauglichen Ansatzpunkt für die Annahme einer Voreingenommenheit des Ministers, sodass eine weitere Sachaufklärung unterbleiben könne. Indem es lediglich darauf verwiesen hat, die behauptete Äußerung des Ministers könne ohne Weiteres auf einer zulässigen bloßen Voreinschätzung beruhen, es aber vermieden hat, sich insoweit eine eigene Überzeugung von dem tatsächlich zugrundeliegenden Sachverhalt zu bilden und diesen erforderlichenfalls zunächst weiter aufzuklären, hat es den Beschwerdeführer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.

Die Sache wird daher an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Dieses wird zu klären haben, ob tatsächlich eine unzulässige Vorfestlegung des Ministers gegeben war. Denn die Aufklärung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung sind Aufgabe der Fachgerichte, nicht des Bundesverfassungsgerichts.

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7.8.2024, 2 BvR 418/24)