Rz. 3
Die Bekanntgabe des VA ist zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für einen VA. Es reicht also nicht aus, dass der VA fertiggestellt und unterschrieben ist. Erst durch die Bekanntgabe wird er erlassen (BSG, Urteil v. 31.10.2012, B 13 R 65/11 R). Die Bekanntgabe des verfügenden Teils gehört an sich bereits notwendig zum Begriff des VA selbst, da eine Außenwirkung nur bei einer auch nach außen verlautbarten Regelung vorliegen und eintreten kann. Eine innerbehördliche Entscheidung und/oder der Entschluss zum Tätigwerden macht die getroffene Verfügung noch nicht zu einem VA, sondern allenfalls zu einem Entwurf eines VA. Zufällige Kenntniserlangung von Absicht und Inhalt der Verfügung stellt daher keine Bekanntgabe dar (Sächs. LSG, Urteil v. 3.7.2008, L 3 AS 152/08).
Rz. 4
Als einseitige Rechtsfolgen auslösende Verfügung ist die Bekanntgabe eine einseitige und zugangsbedürftige Erklärung, auf die § 130 BGB entsprechend anwendbar ist. Entscheidend für die Bekanntgabe ist, dass die getroffene und als solche gewollte Entscheidung mit Wissen und Wollen der Behörde dem Empfänger zur Kenntnis gebracht wird und werden soll. Dies erfordert, dass die Bekanntgabe auf Veranlassung eines dazu befugten Bediensteten der Behörde zurückzuführen sein muss. Die tatsächliche Kenntnisnahme ist aber nicht erforderlich (BSG, Urteil v. 9.4.2014, B 14 AS 46/13 R), ausreichend für die Bekanntgabe ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme (hinsichtlich der Bekanntgabe eines elektronischen Verwaltungsaktes vgl. Rz. 2 und 12). Eine Kenntniserlangung durch Akteneinsicht in einem späteren Gerichtsverfahren erfüllt hingegen nicht die Voraussetzungen der Bekanntgabe (BSG, Urteil v. 14.4.2011, B 8 SO 12/09 R).
Rz. 5
Da VA nicht formgebunden sind, ist auch der Erlass und damit die Bekanntgabe grundsätzlich nicht formgebunden. Für das Sozialversicherungsrecht ist jedoch häufig in spezialgesetzlichen Bestimmungen das Schriftformerfordernis kodifiziert (z. B. § 117 SGB VI, § 102 SGB VII). Sie ist daher mündlich, schriftlich, elektronisch oder in sonstiger Weise möglich. Die Bekanntgabe eines mündlichen, elektronischen oder sonstigen VA kann nur in tatsächlicher Weise erfolgen. Die schriftliche Bekanntgabe kann durch Aushändigung des schriftlichen VA, Übersendung mit einfachem Brief, per Einschreiben (mit oder ohne Rückschein oder Postzustellungsurkunde) oder durch öffentliche Bekanntgabe geschehen. Der elektronische VA setzt, neben der erforderlichen Eröffnung des Zugangs (vgl. Abs. 2a und § 36a SGB I), den Zugang im Wege eines elektronischen Mediums und die (technische) Möglichkeit der Umsetzung des elektronischen Dokuments in lesbaren Text voraus. Sofern besondere Vorschriften die förmliche Zustellung vorschreiben, richtet sich das Verfahren nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) i. d. F. des Gesetzes v. 11.12.2008 (BGBl. I S. 2418).
Rz. 6
Der VA ist demjenigen bekannt zu geben, für den er bestimmt ist. Hierbei handelt es sich um die Beteiligten i. S. v. § 12 Abs. 1. Dazu gehört in erster Linie derjenige, demgegenüber die Entscheidung getroffen wurde und werden sollte. Das sind der Antragsteller, wenn der VA der Behörde auf einen materiellen oder formellen Antrag hin zu treffen war, oder der durch den VA Begünstigte oder Belastete, wenn der VA von Amts wegen zu erlassen war. Sind mehrere Personen beteiligt, hat die Bekanntgabe an jeden von ihnen stattzufinden; z. B. bei gesamtschuldnerischer Haftung für Beiträge. Soweit ein Bescheid einer Person bekannt gegeben und einem anderen Betroffenen in der Absicht zugeleitet wird, dass auch er davon Kenntnis erlangt, liegt auch darin eine Bekanntgabe (BSGE 101 S. 235).
Rz. 7
Zu den Beteiligten gehören aber auch die zu dem Verwaltungsverfahren Hinzugezogenen (§ 12 Abs. 2). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese Beteiligten von dem VA in eigenen Rechten betroffen sind. Am Ausgang und Abschluss des Verwaltungsverfahrens kann auch insbesondere ein Interesse bestehen, wenn aus der Entscheidung gerade das Nichtbetroffensein folgt.
Rz. 8
Soweit auch die Bekanntgabe an Betroffene gefordert wird, sind damit insbesondere Drittbetroffene gemeint, die durch einen VA mit Drittwirkung in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt werden. Durch den VA eintretende ideelle oder wirtschaftliche Folgen, wie höhere Unterhaltspflicht bei Ablehnung einer Sozialleistung, begründen kein Betroffensein. Sind von einem VA mehrere Personen betroffen, muss an jeden bekannt gegeben werden.
Rz. 9
Von der Frage der Bekanntgabe an Beteiligte oder Betroffene ist die Frage zu trennen, an wen der VA zu richten ist (Adressat). Bei Personengesellschaften oder juristischen Personen ist der VA an den gesetzlichen Vertreter zu richten. Bei Minderjährigen sind die Eltern Zustelladressaten. Soweit minderjährige Kinder von ihren Eltern gemeinsam vertreten werden, ist die Bekanntgabe an ein Elternteil ausreichend (BSG, Urteil v. 7.7.2011, B 14 AS 153/10 R). Soweit § 36 SGB I Minderjährigen nach Vollendung des 15. Lebensjahres ein eigenes Antragsrecht auf...