2.1 Verwaltungsakt mit Drittwirkung
Rz. 5
Die Regelung gilt nur für VA mit Drittwirkung. Das Gesetz spricht von einem begünstigenden VA, der von einem Dritten angefochten worden ist, so dass hierfür der Begriff der Drittwirkung verwandt wird. Damit wird zugleich auch die Auswirkung des konkreten VA – über beteiligte Behörde und Adressaten des VA hinaus – auf einen (oder mehrere) Dritten gekennzeichnet. (Doppelwirkung, so BT-Drs. 7/910 S. 73, kann auch ein VA an nur einen Betroffenen haben, wenn damit begünstigende und belastende Auswirkungen verbunden sind.) Die Vorschrift ist auf ursprünglich rechtswidrige und ursprünglich rechtmäßig begünstigende VA anwendbar.
Rz. 6
Drittwirkung liegt vor, wenn ein VA den Adressaten begünstigt und einen anderen Betroffenen belastet und diese Folgen (rechtlich) untrennbar miteinander verbunden sind. Aus dem Recht zur Anfechtung, das dem Dritten zustehen muss, folgt notwendigerweise, dass der konkrete VA für ihn eine Belastung (Beschwer) darstellen muss. Darüber hinaus muss der Dritte durch diesen VA unmittelbar beschwert sein, also in eigenen materiellen Rechten verletzt sein. Eine nur tatsächliche Belastung oder der Wegfall eines Vorteils (als Rechtsreflex) sind nicht ausreichend. So verletzt z. B. das Ende der Versicherungspflicht wegen Befreiung nach § 8 Abs. 1 SGB V für den dann auch hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes erhöht Unterhaltspflichtigen oder die dann nicht mehr Familienversicherten nach § 10 SGB V sowie den zur Zahlung von Beitragszuschüssen nach § 257 SGB V verpflichteten Arbeitgeber nicht in deren eigenen Rechten, so dass diese nicht zur Anfechtung der Befreiung berechtigt sind.
Ein VA mit Drittwirkung liegt aber z. B. bei solchen Beitragserstattungsbescheiden vor, die den Antragsteller in den Genuss der Rückzahlung seiner Beiträge bringen, für den geschiedenen Ehegatten aber die Konsequenz haben können, dass er einen Ausgleichsanspruch verliert (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 14.5.2001, L 3 RJ 24/98, a. a. O., unter Hinweis auf § 210 Abs. 6 Satz 2 und Satz 3 SGB VI sowie BGH, NJW 1995 S. 135, ausdrücklich zum Versorgungsausgleich, in der zivilrechtlichen Literatur wird daher eine entsprechende Unterlassungspflicht angenommen). Ebenso liegt ein VA mit Drittwirkung vor, wenn neben der Witwe eine frühere Ehefrau des Versicherten Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung begehrt (so der Fall bei BSG, Urteil v. 25.2.2010, B 13 R 147/08 R).
Rz. 7
Ob Begünstigung und Belastung nur durch einen oder mehrere Bescheide an verschiedene Adressaten eintritt, ist unerheblich. Maßgeblich ist, dass die (Grund-)Entscheidung begünstigende und belastende Rechtsfolgen nach sich zieht (so wohl auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 28.5.2004, L 14 RJ 145/02). Daher ist nicht primär auf die trennbaren Rechtsfolgen des einzelnen Bescheides abzustellen (so aber Heilemann, SGb 1993 S. 165), sondern auf den zugrunde liegenden VA als Entscheidung (über die materielle Rechtslage), aus der sich die Rechtsfolgen für den oder die Betroffenen ergeben. Daher findet § 49 auch Anwendung, wenn der Adressat eines VA diesen als ihn beschwerend anficht, weil ein Dritter dadurch begünstigt würde. § 49 erfasst jeweils nur den Teil eines VA, der zulässigerweise angefochten wurde (LSG Thüringen, Urteil v. 28.1.2013, L 6 KR 1138/09).
Rz. 8
VA mit Doppelwirkung können daher vorliegen, wenn ein Anspruch zwischen mehreren Beteiligten aufzuteilen ist (z. B. eine Rente an mehrere Berechtigte gemäß § 91 SGB VI, §§ 65, 66 SGB VII), mehrere Anspruchsinhaber in Betracht kommen (z. B. die Kindergeldberechtigten nach § 3 BKGG) oder die Feststellung von Versicherungspflichten, die die Versicherten begünstigen, Dritte als dann zur Beitragszahlung Verpflichtete jedoch belasten. Insbesondere bei der Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht durch die Einzugsstelle (§ 28h SGB IV), die betriebsprüfenden Rentenversicherungsträger (§ 28p SGB IV) oder im Antragsverfahren durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (§ 7a SGB IV), bei denen die anderen Sozialversicherungsträger im Verwaltungsverfahren typischerweise nicht beteiligt werden und auch den Bescheid nicht als Verfahrensbeteiligte erhalten und erst im Klageverfahren beigeladen werden, kommt eine Anfechtung der Entscheidung durch diese noch in Betracht (vgl. BSG, Urteil v. 1.7.1999, B 12 KR 2/99 R).
Rz. 9
Ob die tatsächliche Leistungserbringung an Dritte infolge Abzweigung, Abtretung, Pfändung etc. nach §§ 48ff. SGB I unter § 49 fällt, wie überwiegend angenommen wird (Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, § 49 Rz. 3), erscheint dagegen im Hinblick auf die direkte Anwendung des § 49 zweifelhaft. Da es sich hier lediglich um die Erfüllung des festgestellten Anspruchs handelt, der Anspruch selbst auch nicht vermindert, aufgeteilt oder an den Dritten übertragen wird, und mit der Erfüllung an den Dritten eine andere Verbindlichkeit oder Verpflichtung erfüllt wird, handelt es sich wohl nicht um einen belastenden VA, der durch den Anspruchsinhaber als "Dritter" anfechtbar wä...