Rz. 16

Abs. 2 enthält seit der Änderung durch das HZvNG ab 1.1.2002 eine eigenständige Verjährungsfrist für Ansprüche, die durch unanfechtbare VA festgestellt sind. Danach beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre, unabhängig davon, welche kürzere Verjährungsfrist sonst für den Anspruch maßgeblich war. Dies entspricht der einem rechtskräftigen Urteil (§ 197 Abs. 2 Nr. 3 BGB) vergleichbaren Titelfunktion eines VA. Unanfechtbar wird der VA, wenn die Rechtsbehelfsfrist von einem Monat bzw. drei Monaten bei Bekanntgabe im Ausland (§ 84 Abs. 1 SGG) abgelaufen ist. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig oder fehlt sie, tritt Unanfechtbarkeit erst nach einem Jahr ein, allerdings bleibt es bis dahin bei der Hemmung der Verjährung.

Zwar kann das Vollstreckungsrecht auch im Sozialrecht verwirkt werden, dies ist jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, damit die 30-jährige Verjährungsfrist des § 52 Abs. 2 nicht ausgehebelt wird. Auch das jahrelange Unterlassen von Vollstreckungsmaßnahmen führt daher nicht zur Verwirkung (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 16.10.2013, L 4 KR 35/13 B), der 5 ½ Jahre nach der Aufhebung eines Honorarbescheides ergehende konkretisierende Erstattungsbescheid soll im Vertragsarztrecht keine Verjährungseinrede auslösen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.10.2014, L 5 KA 1161/12). Vielmehr setzt die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (analog § 242 BGB) voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden besonderen Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde sowie der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 16.10.2013, L 4 KR 35/13 B, unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 30.11.1978, 12 RK 6/76). Ob der Verpflichtete ohne solche Umstände irrtümlich zu der Auffassung kommt, der Berechtigte werde von weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen absehen, ist dabei unerheblich (LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.). Ergeht ein konkretisierender Erstattungsbescheid erst 5 ½ Jahre nach der Aufhebung des Honorarbescheides soll dies im Vertragsarztbereich nicht "rechtsstaatlichen Grundsätzen" widersprechen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.10.2014, L 5 KA 1161/12). Wird gegen die Aufhebungsentscheidung Widerspruch eingelegt, so beginnt keine neue Ausschlussfrist.

 

Rz. 17

Unklar ist die Verjährung bei einem auch bestandskräftigen VA über erst künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen. Aus dem früheren Verweis auf § 218 Abs. 2 BGB a. F. folgte, dass es bei der kürzeren Verjährungsfrist für erst künftig fällig werdende Ansprüche verblieb, die also erst später mit einem neuen VA geltend zu machen waren, und die 30-jährige Verjährungsfrist nach Unanfechtbarkeit des VA nach Abs. 1 eintrat. § 197 Abs. 2 BGB und § 52 Abs. 2 Satz 2 VwVfG enthalten ausdrückliche Regelungen über die kürzeren Verjährungsfristen in diesen Fällen.

 

Rz. 18

In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/9007 S. 40) ist dazu ausgeführt, dass die bisherige Sonderregelung für regelmäßig wiederkehrende, erst künftig fällig werdende Leistungen entbehrlich erscheint, weil etwaige Bestimmungen in anderen Büchern dieser Regelung vorgingen. Besondere Bestimmungen für die Verjährungsfristen in solchen Fällen sind jedoch nicht ersichtlich. Da allerdings Abs. 1 auch die Feststellung erst künftig fällig werdender regelmäßiger Ansprüche zulässt und gerade keine andere Regelung getroffen wurde, ist davon auszugehen, dass auch die erst künftig fällig werdenden Ansprüche, die Inhalt und Gegenstand des unanfechtbaren VA sind, einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegen (ebenso Krasney, in: KassKomm, § 52 SGB X Rz. 10).

 

Rz. 19

Dies dürfte allerdings nicht in den Fällen gelten, in denen ein Bescheid nur (dem Grunde nach) die bestandskräftige Feststellung der Voraussetzungen auch für künftig fällig werdende Ansprüche enthält, z. B. das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sonstiger Versicherungspflichten oder das Vorliegen von beitragspflichtigen Versorgungsbezügen (§ 229 SGB V). In diesen Fällen hat der VA keine Titelfunktion und es verbleibt bei der kürzeren Verjährungsfrist, wenn noch Beitrags-/Leistungsbescheide der Höhe nach ergehen müssen. Wird über den Rechtsgrund für auch künftige Beitragsansprüche gestritten, kann dies aber als Kenntnis von der Beitragspflicht zu werten sein, so dass nicht gezahlte Beiträge in der Folgezeit als ...

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