Rz. 23
Es handelt sich um die Übernahme der bis zum 24.5.2018 geltenden Regelung, deren Zulässigkeit sich seit dem 25.5.2018 auf Art. 49 Abs. 5 DSGVO stützt, der den Mitgliedsstaaten gestattet, Beschränkungen für Übermittlungen ohne Angemessenheitsbeschluss zu regeln (BT-Drs. 18/12611).
Liegt kein Angemessenheitsbeschluss vor, ist nach Abs. 3 Satz 1 eine Übermittlung von Sozialdaten an Personen oder Stellen in einem Drittland oder an internationale Organisationen abweichend von Art. 46 Abs. 2 Buchst. a und Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. g der Verordnung (EU) 2016/679 unzulässig.
Abweichend vom bisherigen Recht ist ansonsten die Übermittlung von Sozialdaten an Personen oder Stellen in Drittstaaten oder an internationale Organisationen, für die kein Angemessenheitsbeschluss vorliegt, nach Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. d, e und f der Verordnung (EU) 2016/17 zulässig, wobei die von Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. d i. V. m. Abs. 4 der Verordnung (EU) 2016/679 geforderten wichtigen Gründe des öffentlichen Interesses nur vorliegen, soweit die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung hat und die Übermittlung in Anwendung zwischenstaatlicher Übereinkommen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit erfolgt oder soweit die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 oder des § 70 vorliegen (Abs. 3 Satz 2; BR-Drs. 2/20, S. 129).
2.3.1 Einwilligung nach Art. 49 Abs. 1 Buchst. a DSGVO a. F.
Rz. 24
Mit Wirkung zum 1.7.2020 wurde durch Art. 8 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) § 77 Abs. 3 aus Gründen der Rechtssicherheit geändert. Der bisher enthaltene Verweis auf Art. 49 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 entfiel zwecks Vermeidung des Eindrucks, dass eine Übermittlung von Sozialdaten durch Stellen nach § 35 SGB I an Personen oder Stellen in Drittstaaten oder an internationale Organisationen, für die kein Angemessenheitsbeschluss besteht, gestützt auf einer Einwilligung der betroffenen Person zulässig wäre (BR-Drs. 2/20 S. 129).
2.3.2 Zwischenstaatliche Übereinkommen (Satz 2 Nr. 1)
Rz. 25
Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 lässt eine Übermittlung zu, wenn zwischenstaatliche Übereinkommen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorliegen. Art. 46 Abs. 2 Buchst. a DSGVO fordert für die Übermittlung ohne Angemessenheitsbeschluss ein rechtlich bindendes und durchsetzbares Dokument zwischen Behörden oder öffentlichen Stellen. Hierunter fallen auch die zwischenstaatlichen Übereinkommen. Es handelt es sich insoweit um eine zulässige Beschränkung der DSGVO (BT-Drs. 18/12611).
2.3.3 Unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 oder des § 70 (Nr. 2)
Rz. 26
Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lässt eine Übermittlung von Sozialdaten dann noch zu, wenn die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Nr. 1 (Rz. 11) oder Nr. 2 oder des § 70 vorliegen (vgl. auch die Komm. zu § 69 und zu § 70).
2.3.4 Ausschluss der Übermittlung nach Nr. 1 und Nr. 2
Rz. 27
Nach Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz gelten die Regelungen der Nr. 1 und Nr. 2 nicht, wenn die betroffene Person ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlungen hat. Schutzwürdige Interessen sind vor allem Rechtspositionen, wie sie sich aus den Grundrechten ergeben. Eine Beeinträchtigung liegt z. B. vor, wenn die übermittelten Daten zu einer rassischen, religiösen oder politischen Diskriminierung der betroffenen Person führen könnten. Auch wenn die Daten geeignet sind, Rückschlüsse auf Verstöße der betroffenen Person gegen Rechtsvorschriften anderer Staaten zuzulassen, überwiegt ihr Interesse an einer Geheimhaltung. Die Möglichkeit von Diskriminierung und Strafverfolgung kann somit auch bei Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 1 oder der Nr. 2 einer Datenübermittlung entgegenstehen. Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen können sowohl in den politischen Verhältnissen des Empfängerstaates liegen als auch in den besonderen Umständen des Einzelfalles. Wenn bereits Zweifel bestehen, ob die schutzwürdigen Interessen gewahrt bleiben, sollte von einer Übermittlung abgesehen werden.
Die bloße Beeinträchtigung wirtschaftlicher Belange reicht als Ablehnung für eine Übermittlung jedoch nicht aus. Hier überwiegt das Allgemeininteresse.