Eine wichtige Methode und Haltung auf dem Weg der weiteren Flexibilisierung und Humanisierung von Arbeit wird das sein, was in der Positiv-Organisationalen Psychologie (POP) Job Crafting genannt wird. Wo Luhmann in seiner formalistischen und manchmal sperrigen Ausdruckweise von brauchbarer Illegalität sprach, sagt die POP gewissermaßen: „It´s not a bug – it´s a feature“. Job Crafting wurde in der wissenschaftlichen Literatur zunächst von den US-amerikanischen Professorinnen Amy Wrzesniewski und Jane Dutton beschrieben. Sie beobachteten zu Anfang des Jahrtausends anhand von Fallstudien, wie Beschäftigte ganz unterschiedlicher Couleur in ihren Organisationen – mit oder ohne Wissen der Vorgesetzten – das eigene Rollenprofil über die Zeit proaktiv veränderten. Dies taten sie in aller Regel nicht aus Boshaftigkeit oder mit dem Ziel, ihrer Organisation zu schaden. Vielmehr ging es ihnen darum, den eigenen Verantwortungsbereich derart anzupassen, dass das Aufgabenprofil als motivierender und sinnerfüllter erlebt wurde.

Übergreifend geht es darum, sich die Arbeit immer mehr zu eigen zu machen. Dies taten die Menschen gemäß Wrzesniewski und Dutton auf drei Wegen, die einzeln oder auch in Kombination auftraten[1]:

  • Zum ersten können Menschen ihr Aufgabenspektrum selbst verändern. So besteht die Möglichkeit, von bestimmten Tätigkeiten mehr oder weniger auszuführen oder bestimmte Tätigkeiten komplett aus der Rolle zu verbannen. Zudem bietet sich die Option, dem eigenen Aufgabenspektrum bewusst neue Tätigkeiten hinzuzufügen.
  • Zweitens können Arbeitnehmer das Netzwerk der Beziehungen gestalten, in dem sie arbeiten (müssen). Sie können neue Beziehungen aufbauen, andere herunterfahren oder auch ruhen lassen, um ihr arbeitsbezogenes Erleben zu verbessern.
  • Drittens gibt es eine Form des Job Crafting, in dessen Rahmen nicht die Arbeit selbst verändert wird, sondern die kognitiv-emotionale Bewertung derselben. Mitarbeiter konstruieren dann bewusst einen größeren Bedeutungszusammenhang für ihre Tätigkeit – frei nach dem Motto: Schichte ich Steine aufeinander oder baue ich an einer Kathedrale?

Vom Universalgenie Michelangelo sind verschiedene Zitate überliefert, die alle in eine ähnliche Richtung weisen: Wurde er gefragt, wie genau er so herausragende Skulpturen, beispielsweise die berühmte David-Figur erschaffen konnte, pflegte er zu sagen: „Die Idee liegt im Inneren eingeschlossen. Alles, was du tun musst, ist, den überschüssigen Stein zu entfernen“. Dies ist eine stimmige Metapher für das Prinzips des Job Crafting: Uns wird bei der Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung seitens der Organisation eine mehr oder weniger vordefinierte Rolle (bzw. ein Sammelsurium von Teilrollen) übertragen. Wenn diese jedoch nicht gut zu uns passen (oder in ihrer Ausgestaltung nicht zweckdienlich sind), dann müssen wir anfangen, die gegebene Rohversion zu bearbeiten – so lange, bis sich die gewünschte Form immer deutlicher zeigt.

[1] Amy Wrzesniewski, Jane E. Dutton: Crafting a Job: Revisioning Employees as Active Crafters of Their Work. In: The Academy of Management Review. Vol. 26, No. 2 (April 2001), S. 179-201

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