0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) am 1.1.1997 in Kraft getreten und entspricht dem bis dahin geltenden Recht (§ 582 RVO).
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift ist durch das UVEG in ihrem Regelungsgehalt nicht geändert worden. Sie enthält seither auch die Definition des Begriffs des Schwerverletzten. Zweck der Vorschrift ist es, dem Versicherten, der infolge eines Versicherungsfalls aus dem Erwerbsleben ausscheiden musste und keine Leistungen aus der Rentenversicherung erhält, die somit entfallene Möglichkeit der Altersvorsorge durch eine über die normale Rente nach § 56 hinausgehende Leistung teilweise auszugleichen.
Rz. 3
Schwerverletzte im Sinne dieser Vorschrift gehen vielfach nach Eintritt eines Versicherungsfalls wieder einer Erwerbstätigkeit nach und bedürfen dann keiner höheren Entschädigung, als sie § 56 vorsieht. Anders liegt der Fall, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann. Als versicherte Person in der gesetzlichen Rentenversicherung wird er Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43SGB VI) erhalten. Hat der Versicherte jedoch keinen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, weil er bereits vor Eintritt in ein Versicherungsverhältnis verunglückt ist oder keine Altersvorsorge, z. B. als Selbständiger, getroffen hat, soll die Gewährung der Schwerverletztenzulage einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Versicherte nicht nur allein von der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung leben muss (vgl. hierzu auch BT-Drs. IV/938 S. 13).
Rz. 4
Die dauernde Unmöglichkeit der Erwerbstätigkeit ist nicht gleichzusetzen mit der vollen Erwerbsminderung i. S. der gesetzlichen Rentenversicherung. Das BSG hat in seiner Entscheidung v. 27.10.2009 (B 2 U 30/08 R) klargestellt, dass bezüglich der Erwerbsminderung eine eigenständige Beurteilung vorzunehmen sei, ob der Verletzte in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Kann der Versicherte noch einer Erwerbstätigkeit von jedenfalls unter 3 Stunden täglich nachgehen, ist der Tatbestand der Unmöglichkeit der Erwerbstätigkeit daher nicht erfüllt. Die Unmöglichkeit der Erwerbstätigkeit muss darüber hinaus unter Zugrundelegung des aktuellen Sachstandes auf Dauer bestehen, d. h. der Versicherte muss unfallbedingt endgültig und vollständig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sein (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, § 57 Rz. 5 m. w. N. zur Rechtsprechung und Literatur; Ricke, in: KassKomm., SGB VII, § 57 Rz. 7).
2 Rechtspraxis
2.1 Schwerverletzter
Rz. 5
Hat der Versicherte Anspruch auf eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 50 % oder mehrere Renten aus der Unfallversicherung, die zusammen einen Vom-Hundert-Satz von wenigstens 50 ergeben, ist er Schwerverletzter i. S. d. Vorschrift. Zusammengerechnet werden hier aber nur Renten aus der Unfallversicherung, nicht aber aus anderen Zweigen der Sozialversicherung. Ist eine Rente abgefunden, ist sie dennoch zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil v. 22.6.1976, 8 RU 6/76).
2.2 Infolge des Versicherungsfalls
Rz. 6
Zwischen dem Vorliegen eines Versicherungsfalls und der Unmöglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Bei der Prüfung dieser Anspruchsvoraussetzung ist von der für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden Kausalitätslehre der rechtlich wesentlichen Bedingung auszugehen. Die Gewährung einer Schwerverletztenzulage ist demnach dann ausgeschlossen, wenn die Unmöglichkeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen nicht auf dem Versicherungsfall beruht, sondern in sonstigen Umständen ihren Grund hat, die in der Person des Versicherten selbst liegen. Nicht erforderlich ist es, dass die Folgen des Versicherungsfalls die alleinige Ursache für die Unmöglichkeit einer Erwerbstätigkeit sind. Sie müssen jedoch als rechtlich wesentlich für diesen Zustand anzusehen sein.
Rz. 7
Bei Versicherten, denen bereits aufgrund ihres Lebensalters oder ihres vorbestehenden Gesundheitszustandes die Teilnahme am allgemeinen Erwerbsleben verschlossen war, bilden nicht die Folgen des Versicherungsfalls die rechtlich wesentliche Ursache dafür, dass sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können.
Rz. 8
Bei Vollendung des 65. Lebensjahres darf ohne nähere Aufklärung nicht angenommen werden, dass eine Erwerbstätigkeit unmöglich geworden ist und damit eine Erhöhung der Rente nicht mehr in Betracht kommt (vgl. Vollmer, Die BG 1966 S. 112).
2.3 Erhöhung der Rente bei schwerverletzten Kindern, Schülern und Studierenden
Rz. 9
Die Schwerverletztenzulage wird grundsätzlich auch bei Versicherungsfällen von Kindern in Kindergärten, Schülern und Studierenden geleistet. Dies jedoch erst ab einem Zeitpunkt, ab dem der Betroffene ohne Eintritt des Versicherungsfalls seine Schulausbildung und eine daran anschließende vorgesehene schulische Berufsausbildung beendet gehabt hätte und dann in das Erwerbsleben eingetreten wäre. Der Schwerverletztenzulage ist Lohnersatzfunktion zugedacht. Solange Kinder und Jugen...