2.2.1 Stiefkinder und Pflegekinder (Nr. 1)
Rz. 17
Stiefkinder (Abs. 2 Nr. 1) stehen nur zu dem Ehegatten des verstorbenen Versicherten in einem Kindschaftsverhältnis als leibliche oder angenommene Kinder. Ebenso wie die Pflegekinder müssen auch die Stiefkinder in den Haushalt des bzw. der Versicherten aufgenommen sein. Der Begriff der Pflegekinder wird in § 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I gesetzlich definiert. Danach handelt es sich um Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind. Dies gilt auch hier. Es muss sich um ein familienähnliches Verhältnis handeln (BSG, Urteil v. 23.4.1992, 5 RJ 70/90; Urteil v. 28.11.1990, 5 RJ 64/89). Das familiäre Band zu den leiblichen Eltern muss dementsprechend gelöst sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die leiblichen Eltern das Kind nur noch gelegentlich bei den Pflegeeltern besuchen. Unterhaltszahlungen der Eltern ändern dies nicht, auch dann nicht, wenn neben dem Barunterhalt Betreuungsunterhalt erbracht wird (BSG, Urteil v. 23.4.1992, a. a. O., unter Aufgabe der abweichenden früheren Auffassung).
Rz. 18
Der Begriff der Kostkinder ist daher mit Vorsicht zu benutzen. Sie gehören dann nicht zu den Pflegekindern, wenn sie nur vorübergehend in die Pflegefamilie aufgenommen werden. Nach den Begrifflichkeiten des SGB VIII sind Kinder, die sich in Tagespflege befinden, keine Pflegekinder. Dies folgt schon daraus, dass nach § 43 Abs. 1 SGB VIII die Kindertagespflege außerhalb der Wohnung der Pflegeperson in anderen Räumen stattfindet und nur während des Tages, mehr als 15 Stunden wöchentlich gegen Entgelt durchgeführt wird. Hingegen sind die in Vollzeitpflege i. S. d. § 44 Abs. 1 SGB VIII befindlichen Kinder über Tag und Nacht im Haushalt der Pflegeperson aufzunehmen; sie sind mithin Pflegekinder i. S. d. § 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I.
2.2.2 Enkel und Geschwister (Nr. 2)
Rz. 19
Enkel sind die Abkömmlinge der eigenen leiblichen oder adoptierten Kinder. Geschwister sind auch Stiefgeschwister und Halbgeschwister, zu denen also das Verwandtschaftsverhältnis nur über einen Elternteil vermittelt wird.
2.2.3 Aufnahme in den Haushalt (Nr. 1 und Nr. 2)
Rz. 20
Stiefkinder und Pflegekinder (Abs. 2 Nr. 1) sowie Enkel und Geschwister (Abs. 2 Nr. 2) müssen in den Haushalt der Versicherten aufgenommen sein. Dies muss vor dem Tod des Versicherten geschehen sein und bis zu seinem Tode andauern. Die Absicht, dies zu tun, reicht nicht. Befand sich der Versicherte unmittelbar vor dem Tod krankheitsbedingt oder infolge der Entziehung der Personensorge nicht mehr mit dem Kind zusammen im Haushalt, so kommt es darauf an, ob dies aus damaliger Sicht nur vorläufigen oder vorübergehenden Charakter hatte. Nur dann ist die Voraussetzung weiterhin erfüllt. War die räumliche Trennung hingegen auf Dauer angelegt, so steht dies dem Waisenrentenanspruch des Stief- oder Pflegekindes entgegen (BSG, Urteil v. 8.7.1998, B 13 RJ 97/97 R).
Rz. 21
Ein Versicherter stirbt rund 13 Stunden nach der Geburt seines Enkelkindes in einem Krankenhaus. Er hat das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen, sodass das Enkelkind keinen Anspruch auf Waisenrente hat (BSG, Urteil v. 13.3.1975, 12 RJ 90/74).
Der Anspruch ist nicht ausgeschlossen, wenn beim Eintritt des Versicherungsfalls zwar die Fürsorgeerziehung des Kindes in einem Heim durchgeführt wurde, der Versicherte das Kind aber vorher in seinen Haushalt aufgenommen hatte, während der Heimerziehung die Absicht zur Fortsetzung der häuslichen Familiengemeinschaft mit dem Kind erkennen ließ und es nachher wieder bei sich aufgenommen hat (BSG, Urteil v. 26.6.1969, 4 RJ 137/68).
Der Anspruch auf Waisenrente besteht nicht, wenn das Kind ursprünglich zwar in den Haushalt der Großeltern oder eines Großelternteils aufgenommen war, die Wohn- und Lebensgemeinschaft aber vor Eintritt des Versicherungsfalls ohne Aussicht auf ihre Wiederherstellung beendet wurde. An diesem Ergebnis wird dadurch nichts geändert, dass das Kind später in den Haushalt des überlebenden Großelternteils aufgenommen wird (BSG, Urteil v. 18.8.1971, 4 RJ 411/70).
Rz. 22
Enkel und Geschwister (für Stief- und Pflegekinder gibt es diese Alternative nicht!) sind auch dann waisenrentenberechtigt, wenn sie von dem Versicherten bis zum Zeitpunkt seines Todes überwiegend unterhalten wurden. Maßgeblich ist die tatsächliche Unterhaltsgewährung. Dabei kann es sich um Barunterhalt oder auch um Betreuungsunterhalt handeln. Die Unterhaltsgewährung ist überwiegend, wenn mehr als die Hälfte des Unterhaltsbedarfs des Kindes abgedeckt wird.