0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift entspricht dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht (§ 615 RVO). Abs. 1 Satz 3 wurde durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz – AVmEG) v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung zum 1.1.2002 eingefügt.
Durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts v. 15.12.2004 (BGBl. I S. 3396) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 1.1.2005 um Abs. 5 ergänzt.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Abfindung der Rente an Witwe/r und Lebenspartner bei einer erneuten Ehe oder Lebenspartnerschaft. Voraussetzung für den Abfindungsanspruch ist, dass die versicherte Person einen materiell-rechtlichen Anspruch nach § 65 hat. Eine Bewilligung oder bereits laufende Rentenzahlung ist nicht notwendig. Sofern die Rente mit bestandskräftigem Bescheid zu Unrecht bewilligt worden ist, ist sie abzufinden, sofern nicht die Voraussetzungen des §45 SGB X vorliegen.
Der Anspruch besteht aber nur bei erstmaliger Wiederheirat. Abs. 1 und 2 finden in der gesetzlichen Rentenversicherung ihr Entsprechen in § 107 SGB VI. Wird die Ehe, auf deren Grundlage die Abfindung gewährt wurde, aufgelöst oder für nichtig erklärt, besteht bei erneuter Wiederheirat kein weiterer Abfindungsanspruch (vgl. BSG, Beschluss des Großen Senats v. 21.7.1977, GS 1/76, GS 2/76).
Rz. 3
Werden aufgrund desselben Versicherungsfalls noch mehrere Renten an frühere Ehegatten/Lebenspartner geleistet, erfolgt eine Neufeststellung dieser Renten erst nach Ablauf von 24 Monaten nach der Abfindung, da die abgefundene Rente für diesen Zeitraum fiktiv noch weiterläuft. Handelt es sich um eine Hinterbliebenenrente nach § 65 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2, die nur für 24 Monate gezahlt wird, werden bereits gezahlte Monate berücksichtigt. Eine Neufeststellung kann in diesem Fall früher erfolgen.
Rz. 4
Im Gegensatz zu den übrigen Abfindungen handelt es sich bei der Abfindung bei Wiederheirat nicht um eine echte Abfindung bestehender Ansprüche, sondern um eine einmalige Leistung eigener Art. Dass es sich hier um eine eigenständige Leistung handelt, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass bei Wiederheirat der Rentenanspruch wegfällt (§ 65 Abs. 1) und eine zu kapitalisierende Rente somit nicht besteht. Durch die Abfindung wird der Zweck verfolgt, der Witwe bzw. dem Witwer die Wiederverheiratung zu erleichtern, sog. Rentenkonkubinate zu vermeiden und den Unfallversicherungsträger von der Rentenzahlung zu entlasten (vgl. BSG, Urteil v. 26.6.1969, 12 RJ 70/68; Urteil v. 30.10.1969, 5 RKn 70/68). Bei der Abfindung nach § 80 handelt es sich nicht um eine Ermessensnorm, sondern um eine Pflichtleistung, die von Amts wegen zu erbringen ist.
Rz. 5
Da es sich bei der Abfindung bei Wiederheirat nicht um eine Vorwegzahlung kapitalisierter Rentenbezüge handelt, die zur Verwendung eines erst in der Zukunft zu verwirklichenden Zwecks bestimmt ist, ist die Abfindung auch dann zu zahlen, wenn die Witwe oder der Witwer noch im selben Monat der Wiederheirat verstirbt. Ist eine Auszahlung der Abfindung noch nicht erfolgt, geht der Anspruch nach § 58 SGB I auf die Erben über (vgl. BSG, Urteil v. 29.5.1968, 4 RJ 465/67). Die Abfindung ist auch zu gewähren, wenn die neue Ehe kürzer als der Abfindungszeitraum war und erst nach Auflösung der neuen Ehe beantragt wird (vgl. BSG, Urteil v. 20.2.1975, 4 RJ 305/73).
2 Rechtspraxis
2.1 Höhe der Abfindung
Rz. 6
Abfindungsbetrag ist der 24-fache monatliche Durchschnittsbetrag der Witwen- oder Witwerrente, der für die letzten 12 Monate vor Wegfall der Rente geleistet wurde. Hiermit wird sichergestellt, dass auch eventuell anzurechnendes Einkommen (vgl. § 65 Abs. 3) berücksichtigt wird. Erfolgt eine Wiederheirat aber nach Ablauf von 3 Kalendermonaten und vor Ablauf von 12 Kalendermonaten nach dem Tod des Versicherten, ist die für das Sterbevierteljahr geleistete Rente (§ 65 Abs. 2 Nr. 1) bei der Berechnung des monatlichen Durchschnittsbetrags nicht zu berücksichtigen, da in dieser Zeit eine Einkommensanrechnung unterbleibt und insoweit eine Reduzierung des Berechnungsansatzes vorzunehmen ist. Es ist dann die ab dem 4. auf den Sterbemonat folgenden Kalendermonat bis zum Zeitpunkt der Wiederheirat geleistete Rente zusammenzurechnen und durch die entsprechende Anzahl der Monate zu dividieren. Heiratet die Witwe oder der Witwer wieder innerhalb des Sterbevierteljahres, gilt als Monatsbetrag der Betrag der Rente, der nach diesem Zeitpunkt (4. auf den Sterbemonat folgender Kalendermonat) unter Berücksichtigung einer eventuellen Einkommensanrechnung nach § 65 Abs. 3 fiktiv zu leisten wäre
Rz. 7
Beispiele:
zu Abs. 2 Satz 2: Der Versicherte verstirbt am 6.1.2007 infolge eines Versicherungsfalls. Die Witwe heiratet wieder am 19.12.2007.
Die geleistete Rente bis zum 30.4.2007 für das Sterbevierteljahr bleibt unberücksichtigt. Die Rentenleistung für die Monate Mai 2007 bis Dezember 2007 ist zusammenzurechnen und durch die Anzahl der Monate (9) zu dividiere...