Leitsatz (amtlich)

Zur Qualifizierung einer anwaltlichen Honorarvereinbarung als Wahlschuldverhältnis im Sinne von § 262 BGB, bei dem der Mandant entsprechend dem von ihm verfolgten Ziel wählen kann, ob die anwaltliche Tätigkeit durch eine Pauschalhonorarvereinbarung oder eine Abrechnung auf Stundenbasis vergütet werden soll.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 37 O 164/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 22. August 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 37 O 164/18 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Widerklägerin wird das am 22. August 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 37 O 164/18 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Oktober 2018 abgeändert und der Kläger verurteilt, über den vom Landgericht bereits zugesprochenen Betrag von 81,36 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2017 weitere 9.519,52 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2017 an die Widerklägerin zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits - zugleich in Abänderung der Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts vom 22. August 2018 - trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungswert wird auf insgesamt 14.369,52 EUR (Berufung der Widerklägerin 9.519,52 EUR; Berufung des Klägers 4.850,00 EUR) festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über das Rechtsanwaltshonorar in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit. Der Kläger begehrt die Rückzahlung von überzahltem Anwaltshonorar, die Beklagte widerklagend restliches Anwaltshonorar.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen und folgendes ergänzt (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO): Der Kläger war leitender Angestellter - Bereichsleiter - in einem V... unternehmen. Im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung eröffnete ihm der Arbeitgeber im Juli 2016, dass er nicht mehr als "Bereichsleiter", sondern als ein in der Unternehmenshierarchie nachgeordneter "Abteilungsleiter" gesehen werde. Der Arbeitgeber verlangte von ihm, sich mit der Zurückstufung einverstanden zu erklären; andernfalls müsse er mit der Kündigung rechnen. Im weiteren Verlauf erhöhte der Arbeitgeber den Druck auf den Kläger und äußerte, er wolle sich von ihm trennen; im Kampf um den Erhalt des Arbeitsplatzes habe er - der Kläger - keine Chance.

Daraufhin wandte sich der Kläger an die Beklagte, eine auf die arbeitsrechtliche Vertretung von Führungskräften spezialisierte Anwaltsgesellschaft. Nach einem ersten Telefonat von Anfang August 2016 fand am 15. August 2016 ein Beratungsgespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten statt, in dem dieser dem Kläger dessen Handlungsalternativen in der konkreten Situation aufzeigte und ihn in arbeitsrechtlicher Hinsicht beriet. Zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger noch nicht klar, wie er sich zu dem Verlangen seines Arbeitgebers stellen und ob er um den Erhalt des Arbeitsplatzes kämpfen oder das Unternehmen verlassen wolle. Beide Möglichkeiten wurden im Beratungsgespräch erörtert. Im Verlauf der Beratung stellte sich heraus, dass es "zu 98%" auf eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses hinauslaufen werde. Der Geschäftsführer der Beklagten händigte dem Kläger dabei den "Rohentwurf" für einen noch auszuhandelnden arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag aus. Der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten sprachen auch über die Vergütung der Beklagten; der genaue Inhalt des Gesprächs ist streitig. Bei dem Beratungsgespräch überreichte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger zwei von ihm bereits unterschriebene Vergütungsvereinbarungen vom 18. August 2016 mit der Bitte, beide gegengezeichnet zurückzureichen. Eine Vergütungsvereinbarung sah für die arbeitsrechtliche Beratung des Klägers und dessen außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in erster Instanz ein Pauschalhonorar in Höhe von 15.000 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer vor ("Pauschalhonorarvereinbarung"), wohingegen die zweite, vom Wortlaut weitestgehend identische Vergütungsvereinbarung ein Honorar in Höhe von 350 EUR je Zeitstunde zuzüglich Mehrwertsteuer vorsah ("Stundenhonorarvereinbarung"). Nach beiden Vereinbarungen sollte der Kläger einen Vorschuss zahlen; nämlich einmal in Höhe von 50% des vereinbarten Honorars bei der Pauschalhonorarvereinbarung (= 7.500 EUR) und zum anderen in Höhe von 10 Stunden à 350 EUR bei der Stundenhonorarvereinbarung (= 3.500 EUR) jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer.

Ab Anfang September 2016 kam es zu Gesprächen zwischen dem Kläger und der Personalleiterin seines Arbeitgebers, in denen der Ton deutlich "schärfer" wurde und dem Kläger die Kündigung in Aussicht gestellt wurde.

Am 11. September 2016 übersandte der Kläger der Beklagten die beiden von ihm unterzeichneten Honorarvereinbarungen sowie das von ihm ergänzte Muster des Aufhebungsvertrages zurück. Auch teilte er der Beklagten die Kontak...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?