Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die ernsthafte Besorgnis von erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Zukunft begründen. Dabei kommt es auf den subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers oder seine eigene Einschätzung nicht an.
Deshalb stellt die Prognoseentscheidung für den Arbeitgeber einen hohen Unsicherheitsfaktor dar – insbesondere wenn der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung nicht bereit ist, Auskünfte über seine Krankheit zu geben oder nur erklärt, es handele sich um "einmalig auftretende Krankheiten". Letztlich hat dann der Arbeitgeber nur verlässliche Kenntnis von der Anzahl der Fehltage des Arbeitnehmers, aber nicht von den Ursachen. Also wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als die Erkrankungen hinzunehmen oder "ins Blaue hinein zu kündigen".
Prognosegrundlage
Eine Prognose lässt sich in der Regel nur erstellen, wenn die Fehlzeiten aus der Vergangenheit betrachtet werden: Fehlzeiten in der Vergangenheit haben Indizwirkung für die Zukunft.
Dabei reicht der Rückblick auf nur ein Jahr grundsätzlich nicht aus, denn auch ein gesunder Mensch kann in einem Jahr mehrmals kurzfristig hintereinander krank werden. Das BAG akzeptierte eine aus einem Zeitraum von nur 15 Monaten hergeleitete negative Prognose. Das dürfte jedoch ein bedenklich kurzer Zeitraum sein. Sonst lagen den Entscheidungen des BAG immer Zeiträume von mindestens 4 Jahren zugrunde.
In der Literatur wird eine 2-Jahres-Spanne vorgeschlagen, um Zufälligkeiten, die innerhalb eines Jahrs auftreten können, wenigstens teilweise auszuschließen.
Bei den Instanzgerichten liegt meist ein Zeitraum von 3 Jahren zur Beurteilung vor. Natürlich kann im Einzelfall auch ein kürzerer Zeitraum ausreichen, wenn ein entsprechendes ärztliches Gutachten vorliegt. In der Vergangenheit steigende oder abnehmende Fehlzeiten können auch einer Prognose zugänglich sein.
Zeitraum für den Rückblick
Auch wenn dies in der Praxis oft kolportiert wird, ist nicht auf einen "starren Zeitraum der letzten 3 Jahre" zu blicken.
Erhebliche Ausfallzeiten
Davon abgesehen ist nicht geklärt, was unter "hohen Ausfallzeiten" zu verstehen ist.
Wann die Ausfallzeiten "hoch" oder "erheblich" sind, ist meist der Beurteilung des Gerichts überlassen, das letztlich nur "Einzelfälle" entscheidet. Es ist auch nicht möglich, die Erheblichkeit schematisch zu bestimmen, weil letztlich die betriebliche Beeinträchtigung im Einzelfall Teil des Kündigungsgrunds ist.
Folgende Negativabgrenzung ist jedoch für den Normalfall möglich:
Fehlzeiten werden in der Regel nicht erheblich sein, wenn sie 6 Wochen im Jahr nicht überschreiten. Denn dieses Risiko hat der Gesetzgeber selbst dem Arbeitgeber durch die Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall als zu dessen Risikobereich gehörend auferlegt.
Im Übrigen wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn die aus der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte resultierende Entgeltfortzahlungspflicht dem Arbeitnehmer zwar die Entgeltfortzahlung für die Dauer der Krankheit sichert, dafür aber das Arbeitsverhältnis kostet.
Dennoch hat das BAG auch schon anders entschieden bei einem Kraftfahrer im ärztlichen Notdienst und 20 Arbeitstage jährliche Fehlzeit als erheblich angesehen.
In der Praxis dürfte in der Regel bei Fehlzeiten von 20 – 25 % im Jahr von erheblichen Fehlzeiten ausgegangen werden. Liegen diese in einem Zeitraum von über 3 Jahren hintereinander vor, ist dies ein Indiz dafür, dass auch in Zukunft mit weiteren erheblichen Fehlzeiten zu rechnen ist. Dabei sind Kuren mit einzubeziehen.
Erkrankungen mit Ausnahmecharakter
Unfälle und einmalige Ereignisse sowie Krankheiten, die längere Zeit vor der Kündigung nicht mehr aufgetreten sind, sind einer negativen Prognose nicht zugänglich. Diese Fehltage müssen somit von den anderen abgezogen werden.
Es handelt sich hier um Erkrankungen mit Ausnahmecharakter. Welche Erkrankungen hierunter jedoch im Einzelnen fallen, ist nicht ganz so klar. Wenn feststeht, dass eine Krankheit ausgeheilt ist, kann nicht von einer neuerlichen Erkrankung wegen dieser Krankheit ausgegangen werden. Problematisch ist ein überdurchschnittliches Auftreten von Unfällen bei gleichgelagerten Tätigkeiten, z. B.: der Amateurfußballer, der nach fast jedem Spiel wegen Knieverletzungen arbeitsunfähig ist. In einem solchen Fall spricht alles dafür, dass der Arbeitnehmer für diesen Sport gesundheitlich nicht geeignet ist, weshalb bei Fortsetzung dieser sportlichen Aktivitäten mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Besteht eine besondere Krankheitsanfälligkeit, die sich in jeweils unterschiedlichen und individuell ausgeheilten Krankheiten äußert, kann prognostiziert werden, dass es auch in der Zukunft in mindestens vergleichbarem Umfang zu weiteren Erkrankungen kommen wird.
Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess
Im Kündigungsschutzprozess darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten, die die Indizwirkung für die Zuku...