Zweck des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) ist es, den Arbeitnehmer vor Entgeltkürzungen bei Krankheit und feiertagsbedingtem Arbeitsausfall zu bewahren. Für die Entgeltfortzahlung gilt grundsätzlich das Lohnausfallprinzip: Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf das Entgelt, das er erhalten hätte, wenn die Arbeitszeit nicht ausgefallen wäre. Zum Entgelt gehören dabei neben dem ausgezahlten Arbeitslohn auch Zeitgutschriften und Zeitschulden, die dem Arbeitnehmer ohne Krankheitsfall gewährt bzw. belastet worden wären.

Bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf die Arbeitstage (z. B. 5-Tage-Woche Montag bis Freitag mit jeweils 8 Stunden Soll-Arbeitszeit an allen Arbeitstagen) ergeben sich hinsichtlich der Zeitkontenführung in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten: Der Mitarbeiter wird am Krankheitstag oder bei feiertagsbedingtem Arbeitsausfall im Zeitkonto so gestellt, als hätte er die Soll-Arbeitszeit erbracht.

Bei ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf die Arbeitstage, etwa im Rahmen von Schicht- oder Dienstplänen, muss an Tagen mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung jedoch auf die geplante Arbeitszeitdauer abgestellt werden. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Anrechnung der Arbeitszeit im Zeitkonto hat, die er tatsächlich geleistet hätte. Dies betrifft auch Arbeitnehmer im Tagesdienst mit arbeitsvertraglicher Vereinbarung einer ungleichmäßig verteilten Arbeitszeit.

 
Praxis-Beispiel

Anrechnung von Ausfallzeiten nach Ausfallprinzip

Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit einer Vertragsarbeitszeit von 30 Stunden/Woche arbeitet in einer 4-Tage-Woche von Montag bis Donnerstag.

Die für die einzelnen Tage festgelegte Arbeitszeit beträgt an den Tagen Montag bis Mittwoch je 8 Stunden, am Donnerstag dagegen nur 6 Stunden.

Erkrankt der Arbeitnehmer an einem Montag, so sind ihm 8 Stunden Arbeitszeit im Zeitkonto anzurechnen; an einem Donnerstag sind es 6 Stunden.

Entsprechendes gilt für feiertagsbedingten Arbeitsausfall. An Krankheits- oder Feiertagen, die auf einen Freitag fallen, erfolgt dagegen überhaupt keine Anrechnung. Denn an Freitagen kann aufgrund der verabredeten Verteilung der Arbeitszeit auf die Tage Montag bis Donnerstag niemals krankheits- oder feiertagsbedingt die Arbeit ausfallen!

Vom Ausfallprinzip der Entgeltfortzahlung darf gem. § 4 Abs. 4 EFZG nur auf der Grundlage eines Tarifvertrags abgewichen werden. Sofern eine entsprechende tarifvertragliche Regelung vorliegt, kann anstelle der tatsächlich ausgefallenen Arbeitszeit beispielsweise auch die Anrechnung eines Durchschnittswerts erfolgen, weshalb man in diesen Fällen auch vom Durchschnittsprinzip oder Referenzprinzip spricht. Dieser Durchschnittswert ergibt sich in der Regel durch eine gleichmäßige Verteilung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit auf die vorgesehenen Arbeitstage. Man spricht insoweit auch von der auf einen Arbeitstag entfallenden anteiligen Vertragsarbeitszeit.

 
Praxis-Beispiel

Anrechnung von Ausfallzeiten nach Durchschnittsprinzip

Eine vollkontinuierlich laufende Produktion wird mit 4 Schichtgruppen besetzt; innerhalb von 4 Wochen sind 21 Schichten mit je 8 Stunden anzurechnender Arbeitszeit abzuleisten.

Bei einer tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden beträgt hier die durchschnittlich auf eine Schicht entfallende anteilige Vertragsarbeitszeit 7,14 Stunden (37,5 [Stunden/Woche] x 4 [Wochen] : 21 [Schichten] = 7,14 Stunden = 7 Stunden 8 Minuten).

An einem Krankheitstag wird dem erkrankten Mitarbeiter nicht die ausfallende Arbeitszeit (8 Stunden), sondern nur der auf einen planmäßigen Arbeitstag entfallende Durchschnittswert (7,14 Stunden) angerechnet. Erkrankt der Mitarbeiter an einem Tag, den der Arbeitgeber etwa im Rahmen einer betrieblichen Regelung zur An- und Absage von Schichten als Freischicht eingeplant hatte, so erhält er auch an diesem Tag 7,14 Stunden.

Zwar hat der Mitarbeiter an diesem Tag streng genommen keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da die Arbeit nicht wegen der Krankheit, sondern wegen der Schichtabsage ausfällt. Allerdings liefe der Mitarbeiter dann Gefahr, das entstandene Minus auf dem Zeitkonto mitzuschleppen bzw. nacharbeiten zu müssen. Dies wäre ein Widerspruch zum Grundsatz des Entgeltfortzahlungsrechts, dass der erkrankte Arbeitnehmer grundsätzlich keinen vergütungsmäßigen Nachteil infolge der Krankheit haben darf. Dies wird durch die Gutschrift des Durchschnittswerts auch an geplanten freien Tagen verhindert.

Der Vorteil des Durchschnittsprinzips liegt vor allem in der Vereinfachung: Bei krankheits- oder feiertagsbedingtem Arbeitsausfall bewegt sich das Zeitkonto nicht, sondern wird einfach "plusminusnull" weitergeführt. Dem Zeitkonto fließen bei Ausfall in der Arbeitsphase weder Stunden zu, noch fließen Stunden ab, wenn der Mitarbeiter in der Freizeitphase erkrankt. Das Durchschnittsprinzip bietet sich insbesondere für hochflexible Arbeitszeitmodelle an, in denen sich aufgrund systematischer Flexibilisierungsoptionen (z. B. kurzfristige An- und Absage von Arbeitsschic...

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