Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungspflichtigkeit der Einführung von Desk Sharing sowie der Einführung einer Clean Desk Policy. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich Einbringung privater Gegenstände. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Doppelwidmung von Betriebsflächen sowohl zu Arbeits- als auch zu Pausenzwecken
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einführung von Desk Sharing ist ebenso wie die Einführung einer Clean Desk Policy nicht als Ganzes mitbestimmungspflichtig.
2. Vorgaben des Arbeitgebers zur Einbringung persönlicher Gegenstände der Arbeitnehmer, insbesondere zur Aufbewahrung solcher Gegenstände vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende, können die Ordnung des Betriebs betreffen und infolgedessen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Dies gilt auch, wenn solche Vorgaben Teil eines vom Arbeitgeber angeordneten Konzepts zum Desk Sharing und/oder einer von ihm vorgegebenen Clean Desk Policy sind.
3. Eine Doppelwidmung derselben Betriebsfläche sowohl zu Arbeits- als auch zu Pausenzwecken ("überlagernde Nutzung") kann die Ordnung des Betriebs betreffen und infolgedessen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.
Normenkette
ArbGG § 100; BetrVG § 76 Abs. 2, § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 7; ArbSchG § 3 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 31.05.2024; Aktenzeichen 7 BV 2/24) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des zu 1 beteiligten Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 31.05.2024 - 7 BV 2/24 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.
- Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen "Ordnung hinsichtlich von den Arbeitnehmern eingebrachter persönlicher Gegenstände im Zusammenhang mit der Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts ...spaces" sowie "Ordnung hinsichtlich des Verhaltens auf Flächen mit so genannten überlagernden Nutzungen im Zusammenhang mit der Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts ...spaces" wird Herr X bestellt.
- Die Zahl der Beisitzer wird für jede Seite auf zwei festgesetzt.
- Die weitergehenden Anträge werden zurückgewiesen.
II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle, deren Regelungsgegenstand die Einführung und Umsetzung eines Planungskonzepts sein soll, das die Nutzungsflächen der Büroräume umgestaltet und umdefiniert, insbesondere ein "Desk Sharing" und damit verbunden den "Clean Desk" in dem in C. gelegenen Betrieb der zu 2 beteiligten Arbeitgeberin, für den der Beteiligte zu 1 als Betriebsrat gewählt worden ist, einführen soll.
Das neue Konzept der Arbeitgeberin namens "...spaces" ist in einer Präsentation niedergelegt, die im September 2023 erstellt und im Oktober 2023 dem Betriebsrat zur Kenntnis gebracht wurde (Anlage AS1 zur Antragsschrift vom 08.05.2024, Bl. 6-23 ArbG-Akte). Bisher gab es bereits Großraumbüros, jedoch waren die Arbeitsplätze fest zugeordnet. Zudem gab es zumindest teilweise zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen Trennwände. Eine Gefährdungsbeurteilung für die neuen Arbeitsplätze existiert bisher nicht. Aktuell verhandeln jedoch der Gesamtbetriebsrat der zu 2 beteiligten Arbeitgeberin (künftig: Arbeitgeberin) und die Arbeitgeberin zum Thema Gefährdungsbeurteilung für die Arbeitsplätze des gesamten Unternehmens miteinander.
Zu den weiteren Einzelheiten des feststehenden Sachverhalts sowie zu dem Vorbringen der Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in erster Instanz wird auf den Abschnitt I. der Gründe des mit der vorliegenden Beschwerde angegriffenen Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 31.05.2024 Bezug genommen.
Der Betriebsrat hat sich auf mehrere Mitbestimmungsrechte berufen, er stützte sein Begehren auf § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und § 111 BetrVG.
Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt:
- Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand: - Einführung und Umsetzung des Planungskonzeptes "...spaces" - insbesondere Desksharing und Clean-Desk-Policy" - wird Herr X bestimmt.
- Die Zahl der Beisitzer je Betriebspartei wird jeweils auf vier festgelegt.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 oder § 111 BetrVG habe, könne ausgeschlossen werden. Bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sei sofort erkennbar, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage komme. Es handele sich nicht um eine mitbestimmungspflichtige Frage der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Von dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten sei das nicht mitbestimmungspflichtige ...