Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds. Korrekte Verfahrensart für die Durchsetzung des Anspruchs
Leitsatz (amtlich)
Verfahren, die den Vergütungsanspruch eines gem. § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieds zum Gegenstand haben, sind bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) ArbGG und daher im Urteilsverfahren zu entscheiden. Ein Wahlrecht des betroffenen Betriebsratsmitglieds zwischen Urteils- und Beschlussverfahren besteht nicht.
Normenkette
ArbGG §§ 2, 2a; BetrVG §§ 38, 78 S. 2; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 24.08.2023; Aktenzeichen 23 BV 89/23) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24. August 2023 - 23 BV 89/23 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Beschwerdeverfahren über die zutreffende Verfahrensart.
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist seit dem 1. April 2000 bei der Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Verkäufer beschäftigt und seit 19. März 2010 Mitglied des zu 3 beteiligten Betriebsrats, dessen Vorsitzender er ist. Mit Wirkung ab 1. Juli 2016 wurde der Beschwerdeführer für seine Betriebsratstätigkeit freigestellt. Im Zusammenhang mit seiner Freistellung traf er mit der Arbeitgeberin am 27. Juni 2016 eine Vereinbarung über seine Vergütung, die absprachegemäß bis 2021 jährlich entsprechend den üblichen Tarifsteigerungen angepasst wurde.
Mit Schreiben vom 21. März 2023 teilte die Arbeitgeberin dem Beschwerdeführer mit, dass er zukünftig neben einem Grundgehalt eine monatlich schwankende Provision sowie eine Ausgleichszahlung erhalten werde. Zudem machte die Arbeitgeberin die Rückforderung von im Zeitraum von September 2022 bis Februar 2023 gezahlter Vergütung geltend und behielt schließlich einen Betrag von 13.287,06 € brutto von der Vergütung für März 2023 ein.
Gegen dieses Vorgehen der Arbeitgeberin wendet sich der Beschwerdeführer mit dem vorliegenden Beschlussverfahren. Er begehre im Kern die Abwehr der vorliegenden Benachteiligungen im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG und Schadensersatz (Naturalrestitution) wegen Verletzung des Benachteiligungsverbots sowie Auskünfte, um prüfen zu können, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ihm weitere Ansprüche zur Abwehr einer Benachteiligung zustehen.
Der Beschwerdeführer hat sinngemäß folgende Anträge angekündigt:
- Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, an den Beschwerdeführer 13.287,06 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 1. April 2023 zu zahlen.
- Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer weitere 2.676,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 1. April 2023 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die zwischen dem Beschwerdeführer und der Arbeitgeberin abgeschlossene Vergütungsvereinbarung vom 27. Juni 2016 nicht wegen einer unzulässigen Betriebsratsvergütung nichtig ist.
- Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer die Höhe der gesamten Vergütung der Arbeitnehmer O. B. und C. S. in dem Zeitraum 1. Januar 2007 bis 31. März 2010 aufgeschlüsselt u. a. nach Provisionen, Prämien, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Fixum und EBET monatsbezogen schriftlich mitzuteilen.
- Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer die Vergütung der Arbeitnehmer O. B. und C. S. in dem Zeitraum ab 1. Juni 2022 aufgeschlüsselt nach Provisionen, Prämien, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Fixum und EBET monatsbezogen schriftlich mitzuteilen.
- Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer die Höhe der von ihm erzielten Provisionen in dem Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. März 2010 monatsbezogen schriftlich mitzuteilen.
Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, es dem Beschwerdeführer zu ermöglichen, die von der Rechtsanwaltskanzlei Dr. R. in dem Zeitraum 2022 bis 2023 erstellten Gutachten zu seiner Betriebsratsvergütung zu kopieren.
Hilfsweise:
Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer Einsicht in die von der Rechtsanwaltskanzlei Dr. R. in dem Zeitraum 2022 bis 2023 erstellten Gutachten zu seiner Betriebsratsvergütung zu gewähren.
- Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, für den Zeitraum ab 1. Juni 2022 und zukünftig jeweils bis zum 15. des Folgemonats - hilfsweise mindestens ein Mal pro Kalenderhalbjahr - den Beschwerdeführer die Höhe der an ihre in Vollzeit tätigen Verkäufer ausgezahlten Provisionen und sonstigen Vergütungen aufgeschlüsselt mitzuteilen, sofern diese seit mindestens 36 Monaten bei ihr beschäftigt sind.
- Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer die genaue Berechnung für die DB I-Provision des Jahres 2022 und die angewandte Berechnungsmethode einschließlich der herangezogenen Vergleichswerte schriftlich mitzuteilen.
Das Arbeitsgericht hat ...