Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren. Eingriff in laufendes Betriebsratswahlverfahren bei Nichtigkeit der vorgesehenen Wahl
Leitsatz (redaktionell)
Ein Abbruch oder die Untersagung der weiteren Durchführung einer laufenden Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung kommt nicht bereits in den Fällen der ersichtlich drohenden Anfechtbarkeit, sondern vielmehr nur dann in Betracht, wenn für das Gericht bereits zuverlässig feststellbar ist, dass die vorgesehene Wahl nichtig sein wird.
Normenkette
BetrVG § 19 Abs. 1; WO § 7 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 06.04.2006; Aktenzeichen 6 BVGa 12/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1) bis 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 06.04.2006 – 6 BVGa 12/06 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird entsprechend § 69 Abs. 2 u. 3 ArbGG abgesehen, da gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts keine weiteren Rechtsmittel gegeben sind.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1-3 ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft, da das Arbeitsgericht seine Entscheidung aufgrund mündlicher Anhörung getroffen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann in ein laufendes Betriebsratswahlverfahren durch einstweilige Verfügung eingegriffen werden, wenn es sich um einen wesentlichen Wahlfehler handelt und dieser Mangel das Wahlergebnis verfälschen kann. Durch einstweilige Verfügung sind berichtigende Eingriffe in das Wahlverfahren zulässig (Fitting/Engel/Schmid/Strebinger/Linsenmaier Betriebsverfassungsgesetz 22. Auflage, Rn. 40 zu § 18 BetrVG, LAG Baden-Württemberg v. 11.03.2002 – 20 TaBV 1/02, LAG Baden-Württemberg v. 06.03.2006 – 13 TaBV 4/06).
Weil derartige Entscheidungen vielfach nicht unerhebliche Eingriffe in das Wahlverfahren darstellen, sind strenge Anforderungen an die materielle Begründetheit des Anordnungsanspruchs zu stellen. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, ob die Gefahr einer nachträglich begründeten Wahlanfechtung geringer ist, wenn der berichtigende Eingriff erfolgt, als im umgekehrten Fall (Fittung … Rn. 41 zu § 18 BetrVG). Von diesen Grundsätzen ist das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen.
Eine Prüfung ob der Wahlvorschlag mit dem Kennwort „Unsere Liste” zu der Betriebsratswahl am 26.04.2006 im Betrieb der Beteiligten Ziffer 7 noch zuzulassen war, weil keine unverzügliche Rüge des Wahlvorschlags durch den Beteiligten Ziffer 6 im Sinne von § 7 Abs. 2 WO erfolgt ist oder ob der Wahlvorschlag ordnungsgemäß eingereicht worden ist, hatte zu unterbleiben, da ein korrigierender Eingriff in ein laufendes Wahlverfahren nur dann ein zulässiges milderes Mittel gegenüber dem Abbruch oder der Aussetzung des Wahlverfahrens darstellt, wenn nach einer eine solche Berichtigung aussprechenden Gerichtsentscheidung noch die zwingenden Fristen des Wahlverfahrens gewahrt werden können, da die Verletzung der Mindestfristen einen Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften beinhaltet, der seinerseits eine Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG rechtfertigen kann (Fittung … Rn. 4 zu § 3 WO).
Diese Sachlage würde vorliegend aber eintreten, da die zwingende Frist des § 10 Abs. 2 WO, wonach spätestens eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe die als gültig anerkannten Vorschlagslisten vom Wahlvorstand bekannt zu machen sind, bei einer stattgebenden Gerichtsentscheidung am 25.04.2006 vor der am 26.04.2006 stattfindenden Betriebsratswahl nicht mehr eingehalten werden könnten.
Insoweit erübrigt sich auch die Entscheidung der Frage, ob der zweite Halbsatz des Antrags 1, mit dem begehrt wird, die Teilnahme der Beteiligten Ziffer 1-3 als Wahlbewerber dieser Vorschlagsliste an der Betriebsratswahl sicherzustellen, mangels fehlender Vollstreckungsfähigkeit dieses Antrags zugesprochen werden könnte.
Aber auch der Hilfsantrag, mit dem verlangt wird, dem Wahlvorstand (Beteiligten Ziffer 6) die Durchführung der Betriebsratswahl am 26.04.2006 im Betrieb Ditzingen der Beteiligten Ziffer 7 zu untersagen, konnte keinen Erfolg haben.
Streitig ist in Literatur und Rechtsprechung insoweit, ob ein Antrag auf Abbruch der Wahl nur erfolgreich sein kann, wenn bereits zuverlässig feststellbar ist, dass die Wahl nichtig sein wird (so insbesondere LAG Baden-Württemberg v. 20.05.1998 – 8 Ta 9/98, LAG Baden-Württemberg v. 11.03.2002 – 20 TaBV 1/02) oder ob es dafür ausreicht, dass die Weiterführung der Wahl mit Sicherheit eine erfolgreiche Anfechtung zur Folge hätte (Fittung … Rn. 42 zu § 18 BetrVG m. w. N., insbesondere auch LAG Baden-Württemberg v. 16.09.1996 – 15 TaBV 10/96).
Die erkennende Kammer schließt sich insoweit der ersteren Rechtsmeinung an (LAG Baden-Württemberg v. 20.05.1998 u. LAG Baden-Württemberg v. 11.03.2002), dass nämlich ein Abbruch oder die Untersagung der weiteren Durchführung einer laufenden Betriebsratswahl nicht bereits in den Fällen der ersichtlich drohenden Anfechtbark...