Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingriff in eine laufende Betriebsratswahl im einstweiligen Rechtsschutz. hier: Berichtigung oder Aussetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung für einen feststellenden Ausspruch ist nur in besonderen Ausnahmefällen anzuerkennen, wenn auf andere Weise das Gebot der Sicherung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet werden kann.
2. In bestimmten Fällen der Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl kann durch einstweilige Verfügung in das Wahlverfahren eingegriffen werden, obwohl hierdurch rechtssystematische Unstimmigkeiten bestehen.
3. Obwohl einem solchen Eingriff befriedigende Wirkung zukommt, bestehen gegen die mit einer solchen Leistungsverfügung entsprechend § 940 ZPO verbundene Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich keine Bedenken.
Normenkette
ArbGG § 85 Abs. 2; BetrVG § 19
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Beschluss vom 17.02.2006; Aktenzeichen 2 BVGa 1/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 17.02.2006 – 2 BVGa 1/06 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten im Weg eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung darüber, ob die in M. beschäftigten Arbeitnehmer der S. GmbH an der im Mer. Betrieb der Arbeitgeberin eingeleiteten Betriebsratswahl zu beteiligen sind. Neben zwei Feststellungsanträgen verfolgt die Arbeitgeberin die Ziele, durch Untersagung der Beteiligung dieser Arbeitnehmer berichtigend in das Wahlverfahren einzugreifen, hilfsweise die Wahl bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Arbeitsgericht M. unter dem Aktenzeichen 2 BV 1/06 anhängigen Hauptsacheverfahrens auszusetzen.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie mit Sitz in B. In ihrem Mer. Betrieb werden u. a. so genannte Stromrichter hergestellt, die in Züge und Straßenbahnen eingebaut werden. Der Beteiligte Ziffer 2 ist der im Mer. Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Wahlvorstand. Er setzte den Wahltag mit Wahlausschreiben vom 24.01.2006 für den 08.03.2006 fest (Anlage AS-1 der Antragsschrift vom 24.01.2006, Blatt 9 f. der Akte des Arbeitsgerichts).
Die Arbeitgeberin und die S. GmbH sind Tochtergesellschaften der BTS Holding GmbH mit Sitz in B. Die in Br. ansässige S. GmbH unterhält Betriebsstätten in M. und U. Sie produziert und vertreibt Signaltechnik für Schienenfahrzeuge. Ihre Einheit in M. heißt RCS, der mittlerweile 65 Arbeitnehmer angehören. Die Arbeitgeberin und die S. GmbH haben unterschiedliche Geschäftsführer und verfügen über eigene Personalabteilungen in M. und Br. Mit Ausnahme der gemeinsamen Muttergesellschaft bestehen keine weiteren gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen. Die S. GmbH entstand am 01.01.1997 als Ausgründung der Arbeitgeberin. Durch Betriebsteilübergang gingen damals die Arbeitsverhältnisse von acht Mitarbeitern der Arbeitgeberin auf die S. GmbH über. Die in M. genutzten Räumlichkeiten der Arbeitgeberin und der RCS befinden sich seit dem Betriebsteilübergang in unterschiedlichen, allerdings nicht sehr weit entfernt gelegenen Gebäuden. Ob die RCS im Sommer dieses Jahres in leer stehende Räume im Mer. Werk der Arbeitgeberin einziehen wird, steht noch nicht fest.
Der bei der Arbeitgeberin derzeit amtierende Betriebsrat besteht aus 13 Mitgliedern. Dasselbe gilt für das nun zu wählende Gremium. Weder die Zahl seiner Mitglieder noch die Zahl der Freistellungen werden davon berührt, ob sich die 65 Arbeitnehmer der RCS an der Wahl beteiligen. Die Arbeitnehmer der RCS nahmen bisher an beiden seit 1997 im Mer. Betrieb der Arbeitgeberin durchgeführten Betriebsratswahlen teil. In Ziffer 7.2 Satz 1 einer im Zusammenhang mit der Ausgliederung und dem Verkauf der signaltechnischen Bereiche geschlossenen Betriebsvereinbarung vom 24.03.1997 hatten die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin, die ADBT GmbH, ihr Betriebsrat und die Rechtsvorgängerin der S. GmbH – die ADBS GmbH – geregelt, dass die Beschäftigten der D. (d. h. jetzigen RCS) weiterhin durch den Mer. Betriebsrat der ADBT GmbH vertreten würden (Anlage AS-2, Blatt 11 ff. der Vorakte, insbesondere Blatt 13). Die Arbeitgeberin hält diese Bestimmung für unwirksam. Sie kündigte die Betriebsvereinbarung gemeinsam mit der S. GmbH mit Schreiben vom 25.10. 2005, das der Betriebsrat der Arbeitgeberin am 03.11.2005 erhielt (Anlage AS-3, Blatt 17 der Akte erster Instanz).
Am 16.01.2003 hatten die Arbeitgeberin, drei weitere Konzernunternehmen – u. a. die S. GmbH – und die IG Metall einen Strukturtarifvertrag geschlossen (Anlage AS-6, Blatt 24 ff. der Vorakte). In § 2 Abs. 1 trafen die Tarifpartner folgende Regelung (Blatt 25 der Akte des ersten Rechtszugs):
Ӥ 2 Neue Arbeitnehmervertretung
Zur Verwirklichung des in der Präambel bestimmten Ziels vereinbaren die Parteien auf Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nachfolgende betriebsverfassungsrechtliche Struktur:
(1) Die betrieblichen Strukturen der einzelnen Betriebe der vier Unternehmen bleiben unverändert. Die Betriebsräte dieser ...