Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 02.02.1989; Aktenzeichen 10 Ca 937/88) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Ludwigsburg – vom 02.02.1989 – 10 Ca 937/88 – abgeändert und erkannt wie folgt:
- Es wird festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit dem Schreiben der Beklagten vom 22.06.1988 rechtsunwirksam ist.
- Die Weiterbeschäftigungsklage wird abgewiesen.
II. Die Kosten der ersten Instanz hat die Beklagte zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 1/3, der Beklagten zu 2/3 auferlegt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da das Urteil des Landesarbeitsgerichts der Revision nicht unterliegt (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die an sich statthafte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache insoweit Erfolg, als die Feststellungsklage entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts begründet ist. Dagegen ist die in der Berufungsinstanz im Wege der Klageerweiterung vom Kläger – nach insoweit in erster Instanz erklärter Klagerücknahme – erneut anhängig gemachte Weiterbeschäftigungsklage unbegründet.
I. Feststellungsklage
1. Der Annahme des Arbeitsgerichts, die streitgegenständliche, mit Schreiben der Beklagten vom 22.6.1988 zum 8.07.1988 (Bl. 18 d. A.) ausgesprochene und vom Kläger innerhalb der Frist des § 4 Kündigungsschutzgesetz, das auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, angegriffene Änderungskündigung sei gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, kann nicht gefolgt werden.
Bei einer Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse oder Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlaß zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muß (vgl. BAG DB 1987, 335; 1986, 2442; 1985, 1083; 1982, 1776). Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Änderungskündigung nicht.
Die Behauptung der Beklagten, der seit dem 3.10.1973 als Arbeiter an der Mischanlage eingesetzte Kläger genüge seit dem am 1.10.1986 erfolgten Inkrafttreten der Gefahrstoffverordnung vom 26.8.1986 (BGBl 1986, 1470 ff.) nicht mehr den an die Tätigkeit eines Mischereiarbeiters nunmehr zu stellenden Anforderungen, ist an sich zwar geeignet, eine Änderungskündigung, durch die dem Kläger eine seinen Fähigkeiten entsprechende andere Arbeit zugewiesen werden soll, aus personenbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial zu rechtfertigen. Der Kläger hat diese ein bloßes Werturteil enthaltene Behauptung der Beklagten aber bestritten, so daß diese gehalten war, die ihr Werturteil stützenden Tatsachen substantiiert darzulegen. Dieser ihr obliegenden Darlegungslast hat die Beklagte nicht im ausreichenden Maße zu entsprechen vermocht. Zwar hat die Beklagte im einzelnen dargelegt, daß sich infolge des Verbots der Verwendung formaldehydhaltiger Leimharze die Arbeitsvorgänge an der Mischanlage teilweise geändert hätten und hiermit verbunden dem richtigen Mischungsverhältnis der verschiedenen Chemikalien und sonstigen Substanzen eine erhöhte Bedeutung für die Qualität des herzustellenden Produkts zukomme. Auch hat die Beklagte dargetan, daß mit dieser Änderung der Tätigkeit weiter verbunden sei die sachgerechte Bedienung neu installierter Schutzeinrichtungen (Absauganlage und Wasserdusche). Die hieran anknüpfende Schlußfolgerung der Beklagten, daß sie aus Gründen der Betriebssicherheit sowie des Umweltschutzes nur noch fachlich ausgewählte und qualifizierte Arbeitnehmer als Mischereiarbeiter einsetzen könne und der Kläger daher vorbeugend auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt werden müsse, vermag aber, auch wenn sie im Ansatz durchaus rechtserheblich ist, schon deshalb die streitgegenständliche Kündigung nicht zu rechtfertigen, weil die Beklagte weder im einzelnen dargelegt hat, welche Anforderungen die Änderungen des Arbeitsplatzes an die fachliche Ausbildung und Qualifikation des Mischereiarbeiters ihrer Auffassung nach bedingen, noch ausgeführt hat, inwiefern der Kläger diese Anforderungen nicht erfüllt. Damit verbleibt zur Rechtfertigung des von der Beklagten getroffenen Werturteils „fehlende Eignung” aber allein deren Vorbringen, nach dem der Kläger nach Inkrafttreten der Gefahrstoffverordnung vom 26.8.1986 entweder aufgrund fehlender ausreichender Deutschkenntnisse in Wort und Schrift oder aufgrund mangelnder intellektueller Fähigkeiten trotz dahingehender Unterweisungen und Belehrungen seitens seines Vorgesetzten nicht in der Lage gewesen ist, die Handhabung der unterschiedlichen Chemikalien im Sinne der Umweltschutzbestimmungen und der Produktionserfordernisse fachgerecht auszuführen und die neu installierten Schutzeinrichtungen sachgerecht zu bedienen. Die damit für ihr Werturteil maß...