Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Urteil vom 26.05.1988; Aktenzeichen 1 Ca 138/88) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 26.05.1988 – 1 Ca 138/88 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Am Notfristzeugnis angefordert.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten an den Kläger, der vom 25.3.1987 bis 30.4.1987 arbeitsunfähig krank war, Lohnfortzahlung in unstreitiger Höhe von 2.300,– DM brutto für den Monat April 1987 zu leisten. Die Beklagte hat das Vertragsverhältnis aus Anlaß der am 25.03.1987 begonnenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers mündlich am 25.3.87 mit sofortiger Wirkung gekündigt, den Lohn des Klägers jedoch bis 31.3.87 abgerechnet und ausbezahlt.
Der Kläger war Freigänger in der Justivollzugsanstalt … und gemäß Vertrag vom 9./12.12.86 bei der Beklagten, einem Raumausstattungsbetrieb seit 15.12.86 beschäftigt. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Regelungen wird auf den Vertrag vom 9./12.12.86 (Akten S. 19) Bezug genommen.
Der Kläger ist der Ansicht, daß ihm nach den Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes ein Anspruch auf Zahlung der Vergütung auch für den Monat April 1987 zusteht.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.300,– brutto nebst 4 % Zinsen seit 21.07.1987 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei als Freigänger nicht Arbeitnehmer im Sinne des Lohnfortzahlungsgesetzes. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 3.10.1978 meint sie, die vom Bundesarbeitsgericht für den Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes aufgestellten Grundsätze müßten entsprechend für das Lohnfortzahlungsgesetz gelten. Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmungen sei nur jemand, der als Arbeitnehmer eines Betriebs anzusehen sei. Dies sei beim Kläger, als Strafgefangenem, entsprechend der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, nicht der Fall.
Die unterschiedliche Behandlung rechtfertige sich auch aus der weiteren Erwägung, daß der Kläger als Freigänger nicht in den Betrieb eingegliedert sei. Die Justizvollzugsanstalt sei jederzeit in der Lage, den Freigängerstatus aufzuheben und könne damit das Direktionsrecht des Arbeitgebers unterlaufen. Auch die dem Lohnfortzahlungsgesetz zugrunde liegenden Motive zeigten, daß Freigänger nicht zu dem dort geschützten Personenkreis gehörten. Die sich aus dem Lohnfortzahlungsgesetz ergebende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung im Krankheitsfalle beruhe letztlich darauf, die finanzielle Basis und Existenz des Arbeitnehmers im Krankheitsfalle zu sichern. Dieser Zweck müsse im vorliegenden Fall nicht verfolgt werden, da die grundlegenden materiellen Bedürfnisse des Klägers wie Wohnung, Nahrung und Bekleidung aufgrund des besonderen Gewaltverhältnisses in der Justizvollzugsanstalt gesichert seien.
Schließlich erbringe auch die zuständige Krankenkasse entsprechend § 216 RVO für Freigänger keine Leistungen, obgleich sie, die Beklagte, Krankenversicherungsbeiträge entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen abgeführt habe.
Mit Urteil vom 26.5.88 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Nach seiner Auffassung ergibt sich sowohl aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag, der trotz der Beteiligung des Landes Baden-Württemberg als privatrechtlicher Vertrag anzusehen sei, als auch aus der Bestimmung des § 1 Abs. 3 Lohnfortzahlungsgesetz, die im Gegensatz zu den Vorschriften der RVO keine Ausnahmeregelung für Freigänger enthalte, daß der Kläger Arbeitnehmer im Sinne des Lohnfortzahlungsgesetzes sei.
Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Akten S. 28–30) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 8.6.1988 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4.7.88 Berufung eingelegt und diese am 3.8.88 begründet.
Sie wiederholt ihre schon in 1. Instanz vertretene Auffassung und weist insbesondere nochmals darauf hin, daß im Gegensatz zu sonstigen Arbeitnehmern, ein Freigänger nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts und insbesondere des Lohnfortzahlungsgesetzes angesehen werden könne, da bei ihm eine wesentliche Voraussetzung, nämlich die Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers fehle. Dies ergäbe sich aus der jederzeitigen Befugnis der Vollzugsanstalt, den Freigängerstatus aufzuheben und somit ein tatsächliches Hindernis für die Arbeitsleistung zu setzen ohne dadurch gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Freigänger regreßpflichtig zu werden. Damit sei der Freigänger in einem wichtigen Bereich des Arbeitsverhältnisses, nämlich der Zurverfügungstellung seiner Arbeitsleistung durch eine Institution, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehe, fremdbestimmt.
Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 2.8.88 (Akten S. 51–53) Bezug genommen.
Die Beklagte hat beantragt:
- Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn, Az.: 1 Ca 138/88 wird aufgehoben und die Klage abgewie...