Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen. Rechtmäßigkeit eines Streiks im Krankenhaus auch ohne Notdienstvereinbarung. Ermächtigung des Gerichts zur Schaffung einer Notdienstvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Das Ausbleiben des Abschlusses einer Notdienstvereinbarung führt nicht dazu, dass die gerichtliche Untersagung des Arbeitskampfes beansprucht werden kann. Der Abschluss einer Notdienstvereinbarung ist keine konstitutive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung von Streiks.
Bei einem Streit der Arbeitskampfparteien über den Umfang des Notdienstes kann das Gericht eine Notdienstregelung treffen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass das Gericht anstelle einer Unterlassungsverfügung die Verpflichtung zur Einrichtung eines bestimmten Notdienstes aufzugeben hat.
Normenkette
ZPO §§ 97, 571 Abs. 2 S. 1, §§ 936, 938; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Entscheidung vom 22.09.2021; Aktenzeichen 6 Ga 18/21) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 22.09.2021 - 6 Ga 18/21 - abgeändert und der Antragsgegnerin aufgegeben, für den Streik ab dem 21.10.2021 bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung zwischen den Parteien und längstens bis zum 27.10.2021 folgenden weiteren Notdienst ergänzend zu den Festlegungen aus ihrem Angebot einer Notdienstvereinbarung vom 11.10.2021 (Anlage BF 7 zu dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 15.10.2021) und den dortigen Anlagen für das Fachklinikum in Teupitz bzw. in Lübben einzurichten:
1. Im A. Fachklinikum Teupitz
- für die Stationen 1.2 und 4.2 jeweils je zwei Pflegefachkräfte im Frühdienst und Spätdienst und je eine Pflegefachkraft im Nachtdienst;
- für die Stationen 2.1, 2.2, 6.1 und 7.1 jeweils je eine Pflegefachkraft im Frühdienst, Spätdienst und Nachtdienst;
2. Im A. Fachklinikum Lübben
- für die Station 1.3 zwei Gesundheits- und Krankenpfleger(innen) im Frühdienst sowie je ein Gesundheits- und Krankenpfleger(in) im Spätdienst und Nachtdienst;
- für die Stationen 3.3 und 3.5 je zwei Gesundheits- und Krankenpfleger(innen) / Erzieher(innen) / Heilerziehungspfleger(innen) im Frühdienst und im Spätdienst sowie ein(e) Gesundheits- und Krankenpfleger(in) / Erzieher(in) / Heilerziehungspfleger(in) im Nachtdienst;
3. für die Tageskliniken in Cottbus und Königs Wusterhausen (TK KJP) arbeitstäglich je zwei Personen aus dem Pflege- und Erziehungsdienst und für die Tageskliniken in Vetschau, Lübben und die weitere Tagesklinik in Königs Wusterhausen arbeitstäglich je eine Person aus dem Pflege- und Erziehungsdienst.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin ¾ und die Antragsgegnerin ¼ zu tragen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die gerichtliche Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen und die Ausgestaltung des streikbegleitenden Notdienstes.
Die Antragstellerin betreibt an drei Standorten im Land Brandenburg psychiatrische und neurologische Krankenhäuser, zu denen an verschiedenen Standorten angesiedelte Tageskliniken gehören.
Die Antragsgegnerin führte Warnstreiks gegen die Antragstellerin durch am 19.05.2021, vom 12.08.2021 bis 13.08.2021, vom 30.08.2021 bis 02.09.2021 und vom 21.09.2021 bis 24.09.2021. Zur Einrichtung eines Notdienstes bot sie der Antragstellerin jeweils den Abschluss einer von ihr vorbereiteten Notdienstvereinbarung an. Für den Warnstreik ab dem 21.09.2021 war in dem Angebot für eine Reihe von Stationen bzw. Tageskliniken kein Notdienst vorgesehen. Am Standort Teupitz sind die Station 1.2, 2.1 und 2.2, 3.2, 4.2, 6.1 sowie 7.1 betroffen. Am Standort Lübben sind die Station 1.3, 2.6, 3.3 und 3.5 betroffen. Außerdem betroffen sind die Tageskliniken in Lübben, Vetschau, Cottbus und Königs Wusterhausen sowie die zentrale Aufnahme Psychiatrie.
Zum Abschluss von Notdienstvereinbarungen kam es trotz Verhandlungen nicht.
Mit Antragsschrift an das Arbeitsgericht Cottbus hat die Antragstellerin am 21.09.2021 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht, der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer, die bei ihr beschäftigt sind, zu Arbeitskampfmaßnahmen aufzurufen und oder Arbeitskampfmaßnahmen bei der Antragstellerin durchzuführen, solange keine schriftliche Notdienstvereinbarung zwischen den Beteiligten abgeschlossen sei, die Mindestbesetzungen gemäß einer Anlage zur Antragsschrift absichere. Hilfsweise macht sie eine entsprechende Untersagung geltend, solange für im Auftrag aufgezählte, von der Antragsgegnerin von dem angebotenen Notdienst ausgenommene Stationen und Tageskliniken kein Notdienst gestellt werde. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die von der Antragsgegnerin vorgelegte Notdienstbesetzung führe zu einer Gefährdung von Leib und Leben ihrer Patienten während der Streikmaßnahme. Weiter hat sie zu den Aufgaben der im Antrag genannten Stat...