Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsanspruch des Betriebsrats in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung Mobiles Arbeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber zur Durchführung von Betriebsvereinbarungen verpflichtet. Hiermit geht ein Durchführungsanspruch des Betriebsrates einher. Die Auslegung des i.S.d. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG normativ wirkenden Teils einer Betriebsvereinbarung richtet sich nach den Regeln über die Auslegung von Gesetzen. Maßgebend ist der objektive Erklärungswert der Norm, welcher nach dem Wortlaut sowie der Systematik und dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Bestimmungen zu ermitteln ist. Es existiert keine gesetzliche oder sonst allgemeingültige Definition mobiler Arbeit. Dem Betriebsrat steht bei Verstößen gegen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu. Der Betriebsrat hat im Rahmen der Ausgestaltung mobiler Arbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht dahingehend, welchen Anteil die mobile Arbeit an der betriebsüblichen Arbeitszeit i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat.

 

Normenkette

BetrVG §§ 77, 87 Abs. 1 Nr. 14, § 77 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 04.05.2023; Aktenzeichen 4 BV 1/23)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 04.05.2023 - 4 BV 1/23 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1. zur Klarstellung wie folgt gefasst wird:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, unter Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Ziff. 14 BetrVG anzuordnen, dass:

  • -

    ein Arbeitstag pro Woche nach Antrag für mobile Arbeit freizugeben ist und jeder weitere Tag einer gesonderten Begründung bedarf,

  • -

    primär die Anwesenheit im Werk zu gewährleisten ist,

solange nicht der Antragsteller zugestimmt hat oder die Einigungsstelle die Zustimmung ersetzt hat.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

In dem Beschlussverfahren begehrt der zu 1) beteiligte Betriebsrat, es möge der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin aufgegeben werden, es zu unterlassen, bestimmte einschränkende Anordnungen bezüglich der Genehmigung von mobiler Arbeit im Betrieb der Beteiligten zu 2) zu treffen, solange nicht der Beteiligte zu 1) zugestimmt oder die Einigungsstelle die Zustimmung ersetzt hat.

Die Beteiligten schlossen am 03.05.2021 eine "Betriebsvereinbarung Mobiles Arbeiten" (Anlage ASt2 zur Antragsschrift, Blatt 9 fortfolgende der Akte). Ihr Text lautet auszugsweise wie folgt:

"Präambel

Mobiles Arbeiten verbessert die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, somit die Work-Life-Balance und eine erhöhte Verfügbarkeit zugunsten des Arbeitgebers. Sie ermöglicht den Arbeitnehmern dadurch beispielsweise die Betreuung von Kindern, die Pflege von Angehörigen oder auch mehr Freizeit durch die Ersparnis von Fahrzeiten. (...) Neben der Unterstützung von schwerbehinderten Arbeitnehmern soll durch das Angebot vom mobilen Arbeiten die Produktivität und Selbstverantwortung gefördert, sowie eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ermöglicht werden, (...)

(...)

§ 2

Definition

Mobiles Arbeiten im Sinne dieser Betriebsvereinbarung umfasst die Arbeit, die an einem anderen Ort als dem betrieblichen Arbeitsplatz und damit örtlich flexibel verrichtet wird.

Die Teilnahme an mobilen Arbeiten ist grundsätzlich freiwillig.

(...)

§ 3

Grundsätze und Teilnahmevoraussetzungen

Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer bleibt beim mobilen Arbeiten in seiner bestehenden Form unberührt; lediglich Ort und Zeit der Arbeitsleistung wird geteilt. Im Rahmen dieser Vereinbarung geht es um eine zeitlich begrenzte und möglichst unbürokratische Lösung zur Ermöglichung von mobilen Arbeiten zum Schutz der Beschäftigten und Aufrechterhalten der Betriebsabläufe, sofern die Gegebenheiten dies zulassen.

Mobiles Arbeiten findet grundsätzlich nur in gegenseitigem Einvernehmen statt.

Der Antrag auf mobiles Arbeiten wird formlos per Mail beim Abteilungsleiter gestellt.

Grundsätzlich wird allen Arbeitnehmern mobiles Arbeiten ermöglicht, wenn die Tätigkeit für mobiles Arbeiten als geeignet anzusehen ist und die technische Ausstattung zur Verfügung steht.

(...)

§ 9

Schlussbestimmungen

Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft.

Die Betriebsvereinbarung kann (...) mit einer Frist von 6 Monaten zum Jahresende gekündigt werden.

(...) Bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung wirkt die bestehende Betriebsvereinbarung nach und es gelten die Regelungen dieser Vereinbarung weiter."

Mit E-Mail vom 26.01.2023 (Anlage ASt3, Blatt 12 der Akte) schrieb der bei der Beteiligten zu 2) als HR Manager beschäftigte Herr W zum Betreff "Mobiles Arbeiten / Freigabe ab Februar 2023" die Führungskräfte der Beteiligten zu 2) wie folgt an:

"Ab dem ersten Februar ist bitte folgende Anpassung zu unserer Betriebsvereinbarung "Mobiles Arbeiten" umzusetzen:

- Es bedarf für Mobile Arbeitstage der finalen Zustimmung der Geschäftsleitung (Peer B oder Patrick C oder Günter D o...

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