Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzung der Einigungsstelle "Einführung von Kurzarbeit". Offensichtliche Zuständigkeit der Einigungsstelle nach § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG. Eignung des Vorsitzenden der Einigungsstelle. Bestellung eines Richters als Vorsitzenden einer Einigungsstelle
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Einigungsstelle " Einführung von Kurzarbeit " ist für die zu regelnde Angelegenheit nicht offensichtlich unzuständig im Sinne des § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG, da ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vorliegt.
2. Der Vorsitzende einer Einigungsstelle muss Gewähr für eine neutrale Verhandlungsführung und aufgrund seiner Sachkunde für eine zügige Durchführung leisten.
3. Die Bestellung eines Richters für das Amt des Vorsitzenden einer Einigungsstelle muss ausschließen, dass er in seiner beruflichen Position mit dem Fall beschäftigt würde (§ 100 Abs. 1 S. 5 ArbGG).
Normenkette
ArbGG §§ 100, 76 Abs. 2 S. 2, § 81 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 3, 10
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 31.03.2021; Aktenzeichen 3 BV 14/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 31.03.2021 - 3 BV 14/21 - teilweise abgeändert:
Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit der Regelungsthematik Einführung Kurzarbeit wird Richter am Arbeitsgericht R. C bestellt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Person des Vorsitzenden sowie die Anzahl der Beisitzer einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Einführung von Kurzarbeit".
Die Beteiligte zu 2) ist ein selbstständiges Unternehmen innerhalb der S.-Gruppe; sie vertreibt Neufahrzeuge, Gebrauchtfahrzeuge sowie Transporter der Marke Mercedes-Benz und bietet diesbezüglich auch jeglichen Service, wie z.B. Werkstattleistungen, an. Die Beteiligte zu 2) verfügt über Standorte in Potsdam, Nauen und beschäftigt in der Regel ca. 190 Arbeitnehmer.
Der Beteiligte zu 1) ist der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Betriebsrat.
Die Beteiligte zu 2) teilte dem Beteiligten zu 1) mit, dass die Einführung weiterer Kurzarbeit geplant werde. Ein Antrag bei der Agentur für Arbeit soll für den Zeitraum vom 01.03.2021 bis 28.02.2022 gestellt werden. Auf den Inhalt des Schreibens wird vollumfänglich verwiesen (Anlage AG 2, Blatt 39 folgend der Akte). Die Beteiligte zu 2) schlug den Abschluss einer Betriebsvereinbarung entsprechend der Betriebsvereinbarung 07/2020 vor, die die Beteiligten bereits für die Einführung von Kurzarbeit für die Monate April bis Juni 2020 vereinbart hatten.
Der Beteiligte zu 1) unterbreitete daraufhin unter dem 10.02.2021 einen Vorschlag zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit, auf den inhaltlich verwiesen wird (Anlage A1, Blatt 10 fortfolgende der Akte). Der Vorschlag enthielt in Abweichung zur Betriebsvereinbarung 07/2020 eine Regelung über die Zahlung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld.
Die Beteiligte zu 2) lehnte die Unterzeichnung des Vorschlages ab.
In der Sitzung vom 04.03.2021 fasste der Beteiligte zu 1) den Beschluss, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären und eine Einigungsstelle anzurufen. Der Beteiligte zu 1) teilte dies der Beteiligten zu 2) mit Schreiben vom 05.03.2021 mit (Anlage A2, Blatt 15 fortfolgende der Akte). Die Beteiligte zu 2) lehnte die Einsetzung einer Einigungsstelle mit Schreiben vom 11.03.2021 ab (Anlage AG 3, Blatt 41 fortfolgende der Akte). In der außerordentlichen Sitzung am 15.03.2021 fasste der Beteiligte zu 1) den Beschluss, die Entscheidung zur Einschaltung einer Einigungsstelle beizubehalten und Rechtsanwalt I. mit der Einleitung weiterer Schritte zu beauftragen (Blatt 20 der Akte); auf die Einladung (Blatt 18 der Akte) sowie Anwesenheitsliste (Blatt einen 22 der Akte) wird verwiesen.
Der Beteiligte zu 1) hat die Auffassung vertreten, die Zahlung eines Aufstockungsbetrages bei Kurzarbeit könne Regelungsgegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. § 87 Absatz 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) diene nicht nur dem Vollzug angeordneter reduzierter Arbeitszeit, sondern auch der Regelung materieller Bedingungen. Das Mitbestimmungsrecht müsse auch die Abmilderung der Folgen umfassen. Aufgrund der Komplexität des Sachverhaltes sei die Bestellung von drei Beisitzern pro Seite angemessen.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
1. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit der Regelungssystematik Kurzarbeit wird Herr Richter am Arbeitsgericht Potsdam R. C bestellt.
2. die Zahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer wird auf 3 festgesetzt.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) hat die Auffassung vertreten, dem Beteiligte zu 1) gehe es ausschließlich um die Einführung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld. Die Einigung sei nur an der Frage des Zuschusses gescheitert. Im Vorfeld habe es keine Meinungsverschiedenheiten über Modalitäten zur Einführung von Kurzarbeit gegeben. Dafür bestehe weder nach § 87 Absatz 1 Nr. 3 noch nach Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrec...