Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame außerordentliche betriebsbedingte Kündigung bei gezielter Fremdvergabe der von der ordentlich unkündbaren Arbeitnehmerin ausgebübten Tätigkeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber muss regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (im Anschluss an BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - EzA-SD 2013, Nr. 26 mwN).
2. Der Arbeitgeber muss damit nicht von unternehmerischen Entscheidungen Abstand nehmen, nur weil diese auch zum Wegfall des Arbeitskräftebedarfs unkündbarer Arbeitnehmer führt. Er darf aber nicht den Bedarf an der Arbeitsleistung des unkündbaren Arbeitnehmers zielgerichtet dadurch beseitigen, dass er allein dessen Aufgaben auf Dritte überträgt und dadurch bewusst einen Kündigungsgrund allein dieses Arbeitnehmers schafft.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 08.08.2013; Aktenzeichen 2 Ca 441/13) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. August 2013 - 2 Ca 441/13 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen zwei außerordentlichen betriebsbedingten Kündigungen der Beklagten vom 27.02.2013 und 27.03.2013. Sie begehrt des Weiteren die Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 01.08.2012 - 31.05.2013.
Die 53-jährige Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 01.03.1983 als EDV-Organisatorin bei einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.179,84 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen- und Stahlindustrie Ost vom 23.05.1991 (im Folgenden: MTV Stahl) Anwendung.
Der MTV Stahl enthält unter § 17 Abs. 6.2 folgende Regelung:
"Einem Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört, kann nur noch aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden wichtigem Grund oder bei Vorliegen eines Sozialplans oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien gekündigt werden."
Die Beklagte, die regelmäßig mehr als zehn vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, hatte der Klägerin bereits zum 31.12.2011 eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen, die nach rechtskräftiger Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) (Az. 2 Ca 902/11) unwirksam war. Auch die weitere ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 21.12.2011 sowie eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 20.03.2012 als auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 23.03.2012 wurden vom Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 26.09.2012 (Az. 6 Ca 53/12) für unwirksam erklärt. Diese Entscheidung ist unter dem 28.02.2013 in der Berufungsinstanz vorm LAG Berlin-Brandenburg bestätigt worden (Az. 14 Sa 2026/12) und ist jedenfalls seit dem 16.07.2013 rechtskräftig, nachdem die Beklagte eine angeblich unter dem 24.06.2013 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht zurückgenommen hat (vgl. Bl. 225 d. A.). Die Beklagte beschäftigt die Klägerin seit dem 01.01.2012 nicht mehr.
Mit Schreiben vom 20.12.2012 forderte die Beklagte den Betriebsrat im Hinblick auf die Regelung in § 17 Abs. 6.2 MTV-Stahl und unter Hinweis auf die beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung der Klägerin zur Aufnahme von Sozialplanverhandlungen auf, was dieser mit Schreiben vom 07.01.2013 unter Hinweis auf das Nichtvorliegen einer Betriebsänderung ablehnte. Mit Schreiben vom 19.02.2013 forderte die Beklagte die IG-Metall im Hinblick auf die Regelung in § 17 Abs. 6.2 MTV-Stahl zur Zustimmung der beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Klägerin auf, was diese mit Schreiben vom 27.03.2013 verweigerte.
Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 19.02.2013 zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Klägerin an. Nachdem der Betriebsrat der Beklagten mit Schreiben vom 26.02.2013 seinen Widerspruch zur beabsichtigten Kündigung mitgeteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 27.02.2013 außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30.09.2013, hilfsweise ordentlich zum 30.09.2013.
Mit Schreiben vom 18.03.2013 forderte die Beklagte die IG-Metall wiederum auf, der Kündigung der Klägerin zuzustimmen, was diese mit Schreiben vom 21.03.2013 verweigerte.
Nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 22.02.2013 und Widerspruch des Betriebsrats vom 26.02.2013 kündigte die Beklagten das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 27.03.2013 außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 31.10.2013, hilfsweise ordentlich zum 31.10.2013.
Auf Betreiben der Beklagten erhielt die Klägerin mit Schreib...