Entscheidungsstichwort (Thema)
Schriftform der Befristungsabrede. Anrechnung anderweitigen Verdienstes gegen das Annahmeverzugsentgelt. Entfristungsklage als wörtliche Angebot i.S.d. § 295 BGB. Bestimmtheit des Klageantrags
Leitsatz (redaktionell)
1. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Befristungsabrede ist gem. § 14 Abs. 4 TzBfG ihre Schriftform. Dies ist die eigenhändige Unterschrift oder ein notariell beglaubigtes Handzeichen oder eine qualifizierte elektronische Signatur gem. § 126a Abs. 2 und Abs. 3 BGB. Die Eigenhändigkeit schließt jede Form einer mechanischen Unterschrift aus. Eine Unterschrift als Scan genügt nicht der qualifizierten elektronischen Signatur.
2. Ein Annahmeverzugslohnanspruch entsteht nicht, soweit anderweitig erzielter Verdienst anzurechnen ist. Die nach § 615 S. 2 BGB gebotene Anrechnung anderweitigen Verdienstes hindert bereits die Entstehung des Anspruchs aus § 615 Satz 1 BGB und führt deshalb nicht erst zu einer Aufrechnungslage.
3. Auch wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht wörtlich anbietet, gibt er aber mit der Erhebung und Zustellung der Entfristungsklage an den Beklagten doch ein wörtliches Angebot i.S.d § 295 BGB ab und zeigt zugleich konkludent seinen Leistungswillen.
4. Ein Klageantrag muss hinreichend bestimmt sein. Dies ergibt sich rechtsdogmatisch aus den Vorschriften des § 308 Abs. 1 ZPO und des § 322 Abs. 1 ZPO. Es genügt nicht, sich nur auf eine gesetzliche Vorschrift wie z.B. § 15 DSGVO zu berufen.
Normenkette
BGB §§ 615, 295, 297; TzBfG § 14 Abs. 4; BGB § 126; DSGVO Art. 15 Abs. 1; BGB § 362; TzBfG § 14 Abs. 1, § 16 S. 1; DSGVO § 15 Abs. 3; ZPO § 308 Abs. 1, § 322 Abs. 1; BGB §§ 126a, 242, 296
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.06.2021; Aktenzeichen 42 Ca 8873/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Juni 2021 - 42 Ca 8873/20 und 42 Ca 520/21 - teilweise abgeändert, soweit die Beklagte im Tenor zu II. zur Zahlung von 2.639,25 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 659,29 EUR seit dem 16.08.2020, 16.09.2020, 16.10.2020 und 16.11.2020 an die Klägerin verurteilt worden ist: Auch insoweit wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Juni 2021 - 42 Ca 8873/20 und 42 Ca 520/21 - werden zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen die Klägerin zu 63 % und die Beklagte zu 37%. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 59 % und die Beklagte zu 41 % zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um das Bestehen und die Höhe eines Anspruchs der Klägerin auf Annahmeverzugslohn vom 01.07. bis 31.10.2020 und um einen Auskunftsanspruch der Klägerin nach der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO).
Die Klägerin war während ihres vollzeitig absolvierten Studiums im Zeitraum von Juli 2016 bis Juni 2020 auf der Grundlage von insgesamt 25 kurzzeitig befristeten Arbeitsverträgen mit einer Dauer zwischen einem Arbeitstag und sieben Arbeitstagen sowie einmalig im Jahr 2017 von 21 Arbeitstagen bei der Beklagten als Verleiherin im Rahmen von Arbeitnehmer-Überlassungsverträgen beschäftigt und bei verschiedenen Entleihern eingesetzt, dabei mehrfach als Messe-Hostess. Insgesamt vereinbarte die Klägerin mit der Beklagten ihre Arbeitstätigkeit in den vier Jahren für 25 Einsätze an insgesamt 104 Arbeitstagen, wobei die vereinbarte Tätigkeit, die Zahl der zu leistenden Arbeitsstunden und die Höhe der Stundenvergütung variierten. Auf die Einzelheiten der insgesamt 25 befristeten Arbeitsverträge wird Bezug genommen (Anlagenkonvolut B15, Bl. 421 bis 471 d. A.).
Die Beklagte betreibt im Rahmen der Arbeitnehmer-Überlassung online eine Personalvermittlung auf der Grundlage einer ihr erteilten Arbeitnehmer-Überlassungs-Erlaubnis. Sie schließt mit ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (nachfolgend: Arbeitnehmern) befristete Arbeitsverträge für Einsätze zwischen einem Einzeltag und drei Monaten, wobei die Arbeitnehmer stets bei entleihenden Vertragspartnern der Beklagten eingesetzt werden. Die Arbeitnehmer erstellen selbst Profile mit Fotos und Angaben zu ihren Qualifikationen und beruflichen Erfahrungen sowie mit Angaben zu Alter, Geschlecht, Outfit-Maßen (Körpermaße und Schuhgröße) und zu ihrer Verfügbarkeit in bestimmten Regionen. Diese Angaben speichert die Beklagte auf sogenannten "Sedcards" und stellt sie im Falle der Interessenbekundung der Arbeitnehmer für bestimmte Arbeitsangebote den Entleihern zur Verfügung, die dann Arbeitnehmer aus einem Pool von interessierten Arbeitnehmern auswählen. Formal erfolgt der Abschluss der Arbeitsverträge auf die Weise, dass den Arbeitnehmern nach ihrer online vorgenommenen Bestätigung des jeweiligen Projekts der befristete Arbeitsvertrag mit einer eingescannten Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten überlassen wird. Die Arbeitnehmer ...