Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit. Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung und selbständigem Dienstleistungsvertrag im Bereich der Besucherbetreuung eines Museums
Leitsatz (amtlich)
1. Der Ausbildungsbetrieb ist berechtigt, Auszubildende anzuweisen, ergänzende theoretische Kenntnisbögen auszufüllen.
2. Die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit ist im Regelfall nur zulässig, wenn das Ausbildungsziel konkret gefährdet ist.
Normenkette
BBiG § 13 Nr. 3, § 14 Abs. 2, § 22 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 20.05.2015; Aktenzeichen 8 Ca 308/15) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 20. Mai 2015 - 8 Ca 308/15 - teilweise abgeändert.
Die Klage wird auch abgewiesen, soweit der Kläger sich gegen die Wirksamkeit der Abmahnung vom 16. Dezember 2014 wegen Nichtbefolgung der Weisung des Vorgesetzten wendet.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 40% und die Beklagte zu 60%, die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 25% und die Beklagte zu 75%.
III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 1.880,00 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist 20 Jahre alt (geb. .... 1995) und war seit dem 1. August 2012 bei der Beklagten als Auszubildender zum Kfz-Mechatroniker mit einer Ausbildungsvergütung von zuletzt 470,-- EUR monatlich beschäftigt. Das Ausbildungsende ist für den 31. Januar 2016 vorgesehen. Den Ausbildungsvertrag hatte neben dem Kläger nur dessen Mutter unterzeichnet.
Der Kläger besucht keine klassische Berufsschule, sondern die gymnasiale Oberstufe an einem Oberstufenzentrum (OSZ ...) in B.. Dort nimmt er an einem sogenannten doppelqualifizierenden Bildungsgang teil. Der Unterrichtsbesuch erfolgt blockweise und dann jeweils von Montag bis Freitag jeweils ab 8:00 Uhr. Die Nettoausbildungszeit (exklusive Pausen und Freistunden) beträgt Montag bis Mittwoch jeweils 7,5 Stunden, Donnerstag und Freitag jeweils 6 Stunden. Die Bruttoaufenthaltszeit beträgt montags und mittwochs jeweils 9 Stunden, dienstags 10 Std. 50 Min. und donnerstags und freitags jeweils 7 Std. 10 Min. Außerhalb der Unterrichtszeit hat der Kläger für die Schule Hausaufgaben zu erledigen und sich auf Klausuren vorzubereiten. Die Fahrzeit zwischen dem Betrieb der Beklagten und dem OSZ beträgt nach unbestrittenem Vortrag des Klägers 1 Std. 11 Minuten.
Nach § 3 Ziffer 7 des Ausbildungsvertrages hat sich der Kläger verpflichtet, einen vorgeschriebenen schriftlichen Ausbildungsnachweis ordnungsgemäß zu führen und regelmäßig vorzulegen. Mit einem Aushang teilte die Beklagte mit, dass die Berichtshefte jeweils zum Monatsende dem Vorgesetzten vorgelegt werden müssten. Nach § 2 Ziffer 6 ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den schriftlichen Ausbildungsnachweis (Berichtsheft) der für die Berufsausbildung verlangt wird, kostenfrei auszuhändigen und die ordnungsgemäße Führung durch regelmäßige Abzeichnung zu überwachen.
Die Beklagte wies den Kläger an, als betriebsbegleitende Maßnahme des überbetrieblichen Ausbildungsplans die Kenntnisnachweise des dem Kläger zur Verfügung gestellten Ausbildungsmaterials in der Fachzeitschrift "Autofachmann", bei denen es sich zumeist um sogenannte Multiple-Choice-Aufgaben handelte, auszufüllen und in entsprechender Reihenfolge zum sogenannten Berichtsheft beizuordnen. In der Anhörung des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung des Klägers führte die Beklagte aus, dass der Kläger dieses im ersten Jahr gemacht habe, ab dem Heft 11./12. des 1. Ausbildungsjahres bis einschließlich Heft 6 des 3. Ausbildungsjahres zwar die Kenntnisnachweise abgeheftet aber nicht mehr ausgefüllt habe. Ein Kenntnisnachweis (08. für das 2. Ausbildungsjahr) fehle ganz.
In einer E-Mail vom 22. September 2014 teilte Herr R. M., der Vater des Klägers, unter dem Betreff "Besprechung am 19.09.2014" u.a. mit:
3. Autofachmann
In unserem letzten Gespräch stellte Hr. S. die regelmäßige Aushändigung der Fachzeitschrift "autoFACHMANN" an ... als besondere freiwillige Leistung des Unternehmens dar. Dies biete die Möglichkeit einer sinnvollen "Zusatzqualifikation" und die Bearbeitung der Kenntnisbögen i.d.R. außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit werde seinerseits wärmstens empfohlen. Eine Anleitung oder Überprüfung dieser "optionalen" Leistungen durch ihn lehnte Hr. S. auf mein Nachfragen ab. ...
Offensichtlich soll hier "autoFACHMANN" die Rolle Ihres Ausbildungsleiters übernehmen. Ich betrachte das als unzulässige Delegation der grundlegenden Pflichten des Ausbildungsleiters auf den Auszubildenden, der sich in dieser von Herrn S. vorgeschlagenen und von Ihnen mitgetragenen Konstellation eigenverantwortlich, freiwillig und auch noch außerhalb der offiziellen Ausbildungszeit selbst ausbilden soll. Damit wir uns nicht falsch verstehen: "autoFACHMANN" ist ganz sicher eine gute und sinnvolle Ergänzung zu der du...