Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderleistung. Schadensersatz. Bereicherung
Leitsatz (amtlich)
Täuscht ein Arbeitnehmer bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses über seine Qualifikation (hier: kein vorhandener Hochschulabschluss), so ist er in der Regel weder bereicherungsrechtlich noch im Wege des Schadensersatzes verpflichtet, die im Arbeitsverhältnis erhaltene Vergütung zurückzuzahlen.
Normenkette
BGB §§ 134, 812, 823 II; StGB § 263
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 17.02.2011; Aktenzeichen 2 Ca 4958/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.02.2011 – 2 Ca 4958/10 – teilweise abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin als Arbeitgeberin begeht von ihrem ehemaligen Angestellten Ersatz für Aufwendungen in ursprünglicher Höhe von 13.454,40 EUR und nunmehr im Berufungsverfahren in Höhe von 12.100,24 EUR. Die Klägerin zahlte für Oktober und November 2009 an den Beklagten ein Nettoentgelt in Höhe von 6.638,14 EUR und weitere 3.449,01 EUR Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Die Kosten für die Anmietung eines Dienstwagens für den Beklagten betrugen im Oktober 2010 736,90 EUR netto und im November 2010 684,81 EUR netto. Weiterhin wandte die Klägerin für drei Geschäftsreisen des Beklagten 591,38 EUR auf.
Mit Stellenanzeige vom 22. April 2009 (Kopie Bl. 7 d. A.) suchte die Klägerin einen Vertriebsmitarbeiter. Hinsichtlich der formalen Anforderungen wurde verlangt „Ausbildungsgrad Hochschulabschluss oder Fachhochschulabschluss”. Der Beklagte legte in Kopie ein gefälschtes Diplomzeugnis vor, obwohl er über keinerlei derartigen Abschluss verfügte. Mit Arbeitsvertrag vom 17./18. September 2009 wurde der Beklagte ab dem 1. Oktober 2009 eingestellt. Das Gehalt betrug anfangs 4.500,– EUR brutto. Mit Schreiben vom 23. November 2009 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zum 7. Dezember 2009. Kurz darauf kündigte sie fristlos unter dem 27. November 2009, wogegen der Beklagte sich nicht zur Wehr setzte.
Die Klägerin hat behauptet, die Arbeitsleistungen des Beklagten seien unzureichend gewesen. Die Leistungen seien nicht einmal ausreichend gewesen. So habe der Beklagte fehlerhafte Angebote unterbreitet und auf Rügen beleidigt reagiert. Ein Anschreiben an die kassenärztliche Vereinigung unter dem 10. November 2009 sei schon im Entwurf fehlerhaft gewesen. Am 12./13. November 2009 habe er den Auftrag erhalten, englische Texte zu kontrollieren und zu korrigieren, wobei teilweise Textbausteine aus dem Englischen ins Deutsche zu übertragen waren. Die Geschäftsführerin der Klägerin habe dann jedoch über sieben Stunden am 12. November 2009 den ersten Teil der Arbeiten kontrollieren und verbessern müssen. Auch die weiteren Arbeiten, die der Beklagte am 13. November 2009 hierzu vorgelegt habe, seien vollkommen unvollständig gewesen. So habe er z. B. in sechs Zeilen sechs erhebliche Fehler verursacht. Man könne die Arbeitsleistung des Beklagten nur als sehr mangelhaft, fast schon als ungenügend bezeichnen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie die Summe von 13.454,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2010 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat eingeräumt, dass er nicht fehlerfrei gearbeitet habe. Trotzdem stünde ihm der Arbeitslohn zu. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass ein Einarbeitungsplan von drei Monaten bestanden hätte.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 17. Februar 2011 den Beklagten zur Zahlung von 12.100,24 EUR verurteilt. Insofern hafte der Beklagte wegen arglistiger Täuschung gem. §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB. Infolge des täuschungsbedingten Abschlusses des Arbeitsvertrages habe die Klägerin in dieser Höhe Aufwendungen gehabt. Diese Vermögensminderung sei durch den Beklagten nicht im Zeitraum 1. Oktober 2009 bis 27. November 2009 durch zugeflossene Arbeitsleistung ausgeglichen worden. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trage der Schädiger, somit der Beklagte. Dieser sei seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Er habe die Behauptungen der Klägerin nicht widerlegen könne, dass seine Leistungen für die Klägerin nicht von irgendeinem Wert gewesen seien. Bis zuletzt seien Zweifel verblieben, ob und in welchem Umfang der Beklagte im Zeitraum seiner Beschäftigung tatsächlich irgendwelche Leistungen erbrachte, die im Wege der Vorteilsausgleichung in die Ermittlungen des eingetretenen Schadens hätten einbezogen werden können. Soweit die Klägerin weitere Schadensersatzpositionen geltend gemacht hat, hat das Arbeitsgericht Berlin dies abgelehnt.
Dieses Urteil ist dem Beklagten am 7. April 2011 zugestellt worden. Die Berufung erfolgte am 2. Mai 2011. Nach Verlängerung bis zum 1. Juli 2011 ging die Berufungsbegründung am selben Tag beim Landesarbeitsgericht ein.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass...