Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarung zur einstweiligen Anordnung von Kurzarbeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Vereinbarung über die einseitige Einführung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber verstößt gegen § 307 BGB, wenn Kurzarbeit ohne Ankündigungsfrist angeordnet werden kann. (Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10)

 

Normenkette

BGB § 370

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen 37 Ca 525/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.06.2010 – 37 Ca 525/10 – teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.729,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von jeweils von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.10.2009 auf einen Betrag in Höhe von 694,78 EUR, ab dem 01.11.2009 auf einen Betrag in Höhe von 1.249,60 EUR, ab dem 01.12.2009 auf einen Betrag in Höhe von 1.989,50 EUR sowie ab dem 01.01.2010 auf einen Betrag in Höhe von 2.729,40 EUR zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Zahlung einer Annahmeverzugsvergütung verpflichtet ist. Dabei ist vor allem umstritten, ob die Arbeitszeit der Klägerin durch eine Anordnung von Kurzarbeit verringert worden ist.

Die Beklagte beschäftigte die Klägerin seit dem 1. April 2006 zuletzt als „Sales Coordinator Distribution” gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 1.800,00 EUR. Das Arbeitsverhältnis endete mit dem 15. Februar 2010.

Die Beklagte informierte die Belegschaft in einer Betriebsversammlung vom 13. Februar 2009 über die schlechte Auftragslage und die damit verbundene verminderte Auslastung der Mitarbeiter. Sie erläuterte zudem, dass sie zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen möglicherweise Kurzarbeit beantragen wolle. Die Beklagte legte in diesem Zusammenhang eine schriftliche Information (Kopie Bl. 47) aus, die von den Teilnehmern an der Betriebsversammlung unterschrieben wurde. Die Klägerin, die krankheitsbedingt an der Betriebsversammlung nicht teilgenommen hatte, unterschrieb die Information nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit.

Die Beklagte ordnete ab dem Monat September 2009 in ihrem Betrieb Kurzarbeit an und vergütete die Klägerin nur für die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Differenz zwischen der arbeitsvertraglich vereinbarten und der in den Monaten September 2009 bis Januar 2010 ausgezahlten Vergütung in Anspruch genommen. Die Beklagte ist dieser Klage entgegengetreten. Eine Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung haben die Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte durch ein am 30. Juni 2010 verkündetes Urteil verurteilt, die für den Monat Januar 2010 geforderte Vergütungsdifferenz zu zahlen. Es hat die weitergehende Klage abgewiesen, weil die Beklagte für die Monate September bis Dezember 2009 die Arbeitszeit der Klägerin mit deren Einverständnis herabgesetzt habe. Denn die Klägerin habe die Kurzarbeit zunächst widerspruchslos angenommen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 7. September 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. Oktober 2010 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie mit einem am Montag, den 8. November 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin hält die Beklagte weiterhin für verpflichtet, ihr die Differenzvergütung für die Monate September bis Dezember 2010 zu zahlen. Sie ist der Auffassung, eine wirksame Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit liege in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Juni 2010 – 37 Ca 525/10 – zu verurteilen, an sie weitere 2.729,40 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Oktober 2009 auf einen Betrag in Höhe von 694,78 EUR, ab dem 1. November 2009 auf einen Betrag in Höhe von 1.249,60 EUR, ab dem 1. Dezember 2009 auf einen Betrag in Höhe von 1.989,50 EUR sowie ab dem 1. Januar 2010 auf einen Betrag in Höhe von 2.729,40 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, die Klägerin habe mit der nachträglichen Unterzeichnung der Mitarbeiterinformation vom 13. Februar 2009 der Verringerung ihrer Arbeitszeit vertraglich bindend zugestimmt, zumal sie umfassend über die im Zusammenhang mit der Kurzarbeit geplanten Maßnahmen unterrichtet worden sei. Jedenfalls stelle die widerspruchslose Hinnahme der Arbeitszeitverkürzung ein bindendes Einverständnis dar. Für sie – die Beklagte – sei es vor allem darum gegangen, dem Auftragsrückgang nicht mit betriebsbedingten Kündigungen begegnen zu müssen. Um die...

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