Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Änderungskündigung zur Anrechnung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung auf den Mindestlohn bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Unwirtschaftlichkeit des Betriebes
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die Arbeitsvertragsparteien eine "Urlaubsvergütung" in Höhe von 50 % eines Stundendurchschnittsverdiensts für die Zeit des Erholungsurlaubs vereinbart, kann darin nur die Vereinbarung eines zusätzlichen Urlaubsgelds gesehen werden, das die Arbeitgeberin gewährt, um die zusätzlichen Kosten der Arbeitnehmerin während des Erholungsurlaubs zu kompensieren und die nicht als eine Vergütung der Normalleistung angesehen werden kann; dass das zusätzliche Urlaubsgeld (auch) Vergütungscharakter hat, schließt die Bewertung als zusätzliche Leistung und ihre Nichtanrechenbarkeit auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht aus.
2. Kann eine zusätzliche "Urlaubsvergütung" nicht ohne Änderung des Arbeitsvertrags der Parteien auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden, hat die Arbeitgeberin einen dringenden betrieblichen Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG für die Änderung der Arbeitsbedingungen schlüssig darzulegen.
3. Die Unwirtschaftlichkeit eines Betriebes kann der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin zu unveränderten Bedingungen entgegen stehen, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann; wegen des nachhaltigen Eingriffs in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung durch die Entgeltsenkung bedarf es im Fall der Unwirtschaftlichkeit des Betriebes eines von der Arbeitgeberin im Prozess substantiiert darzulegenden, umfassenden Sanierungskonzepts, das erkennbar alle gegenüber der beabsichtigten Änderung der Arbeitsbedingungen milderen Mittel ausschöpft.
Normenkette
KSchG §§ 2, 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. März 2015 - 54 Ca 14420/14- wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung der Beklagten vom 30. September 2014 (Bl. 13 d. A.), mit der sie das Arbeitsverhältnis der Klägerin, die neben mehr als 10 Arbeitnehmern bis Ende 2014 zu einem Bruttostundenlohn von 6,44 €, sowie ausweislich der Vereinbarung in § 4 des Arbeitsvertrags vom 28. September 2000 (Bl. 8 f. d. A.) einer Urlaubsvergütung von 50 % eines Stundendurchschnittsverdiensts für die Zeit des Erholungsurlaubs sowie einer nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelten "Sonderzahlung am Jahresende" in Höhe von bis zu 50 % eines Stundendurchschnittsverdiensts beschäftigt war, unter Wegfall der Leistungszulage, der zusätzlichen Urlaubsvergütung oder Jahressonderzahlung ab dem 1. März 2015 zu einer Vergütung von 8,50 € brutto pro Stunde unter Beibehaltung der Schichtzulage fortsetzen will. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.
Durch das Urteil vom 4. März 2015 hat das Arbeitsgericht Berlin unter Abweisung eines allgemeinen Feststellungsantrags festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 30. September 2014 sozial ungerechtfertigt und unwirksam sei, die Kosten des Rechtstreits der Beklagten auferlegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Änderungskündigung sei wegen fehlender Anrechenbarkeit des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Sonderzuwendung auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch bereits unzulässig, jedenfalls sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte zu den betriebsbedingten Gründen für eine Kündigung zur Entgeltsenkung nicht ausreichend vorgetragen habe. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 63-72 d. A.) verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 23. März 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. April 2015 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung, die die Beklagte mit einem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23. Juni 2015 am 22. Juni 2015 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte und Berufungsklägerin rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin bei Umsetzung der Änderungskündigung einen höheren Jahresbruttolohn als bisher erhalten werde und sie, so trägt die Beklagte vor, mit der Änderungskündigung nur die Umlage der außerhalb des Monatsrhythmus geleisteten Zahlung von Urlaubs- und Jahressonderzahlung auf den Stundenlohn erreichen wolle. Überdies seien entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung bereits auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Dies ergebe sich aus der Auslegung des Mindestlohngesetzes. Schließlich lägen auch dringende bet...