Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Sonderzuwendungen und nur im Falle der Urlaubsgewährung gezahlten Urlaubsgeldes auf den Mindestlohn. Zulässigkeit der Streichung dieser Leistungen im Hinblick auf die Einführung des Mindestlohnes

 

Leitsatz (amtlich)

Nicht funktional gleichwertige Leistungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anrechnung von Leistungen auf tarifliche Mindestlöhne wie an weitere Voraussetzungen geknüpfte Sonderzuwendungen und nur im Falle der Urlaubsgewährung zusätzlich gezahltes Urlaubsgeld können nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.

Sollen diese Leistungen aufgrund der Einführung des Mindestlohnes gestrichen werden, müssen die Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung vorliegen.

 

Normenkette

KSchG §§ 2, 1 Abs. 1; MiLoG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 10.02.2015; Aktenzeichen 7 Ca 16081/14)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Februar 2015 - 7 Ca 16081/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

Die Klägerin ist seit 12. Oktober 2009 bei der Beklagten, die über zehn Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Im Arbeitsvertrag vom 8. Oktober 2009 vereinbarten die Parteien (s. im Übrigen Bl. 7, 8 d.A.):

"Als Arbeitsentgelt wird 7,06 € / Stunde zzgl. max. 5 % Leistungszulage bei Erreichen der qualitativen und quantitativen Kennziffern vereinbart.

Schichtzuschlag bei Wechselschichtarbeit (...).

Der Anspruch auf Urlaubsvergütung beträgt 50% des Stundendurchschnittsverdienstes ohne Anrechnung von Mehrarbeits- oder sonstigen Vergütungen nur für die Zeit des Erholungsurlaubs und nicht für andere bezahlte Freistellungen.

Die Sonderzahlung zum Jahresende beträgt

20% des Stundendurchschnittsverdienstes nach 6 Monaten

30% des Stundendurchschnittsverdienstes nach 12 Monaten

40% des Stundendurchschnittsverdienstes nach 24 Monaten

50% des Stundendurchschnittsverdienstes nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit

ohne Einrechnung von Mehrarbeits- oder sonstigen Vergütungen.

Die Sonderzahlung zum Jahresende wird für jeden Arbeitstag, den die Arbeitnehmerin krankheitsbedingt abwesend ist (ausgenommen Erkrankung eines Kindes), um ein Viertel des Arbeitsentgeltes gekürzt, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt. Als Arbeitsentgelt in diesem Sinne gilt nur die lfd. monatliche Vergütung. Ein Ausgleich dieser Krankheitstage zum Jahresende mit Urlaub oder Überstunden ist möglich."

Gemäß Änderungsvertrag vom 22. Januar 2014 (s. Bl. 9 d.A.) werden bei ansonsten unveränderten Bedingungen zusätzliche Aufgaben und ein Arbeitsentgelt von 7,50 Euro pro Stunde zuzüglich maximal 5% Leistungszulage bei Erreichen der qualitativen und quantitativen Kennziffern vereinbart.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2014, der Klägerin am selben Tag zugegangen, erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2014 und bot der Klägerin die Fortsetzung zu folgenden Bedingungen an: "Die in § 4 Ihres Arbeitsvertrages vereinbarte Leistungszulage, die zusätzliche Urlaubsvergütung sowie die Jahressonderzahlung fallen insgesamt weg. Die vereinbarte Vergütung beträgt 8,69 €/brutto je Arbeitsstunde. Die vereinbarten Schichtzulagen bleiben bestehen. Alle übrigen Bedingungen ihres Arbeitsvertrages ... bleiben zunächst unverändert." Die Klägerin nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 12. November 2014 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an.

Mit ihrer am 12. November 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei nicht sozial gerechtfertigt. Die Beklagte strebe ohne hinreichenden Grund eine Reduzierung ihres Entgelts an.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen in der Änderungskündigung vom 31. Oktober 2014, zugegangen am selben Tag, sozial ungerechtfertigt sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie strebe durch die Änderungskündigung lediglich eine Veränderung der Vergütungsstruktur ohne Reduzierung der vereinbarten Gesamtvergütung an. Ihr Vergütungsangebot beruhe auf einer jahresbezogenen Kalkulation. Aufgrund der gem. § 2 Abs. 1 MiLoG ab 1. Januar 2015 bestehenden Verpflichtung, den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde spätestens am Ende des auf den Arbeitsmonat folgenden Monats zu zahlen, sollten bisher nicht monatlich gezahlte Entgeltbestandteile auf den Stundenlohn umgelegt werden. Auch der Gesetzgeber halte die Anrechnung von Urlaubsgeld und Jahressonderzahlungen auf den Mindestlohn grundsätzlich für zulässig. Die Klägerin habe unter Einbeziehung von Leistungszulage, Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung 2014 17.363,56 Euro zuzüglich Schichtzulage erhalten, nach den geänderten Arbeitsbedingungen ergebe sich für 2015 ein Betrag von 17.691,10 Euro zuzüglich Schichtzulage. Die Klägerin werde aufgrund des Wegfalls der Abzugsmöglich...

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