Entscheidungsstichwort (Thema)
Austauschkündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Betriebsabteilung stillgelegt, in der eine nach § 15 KSchG geschützte Person beschäftigt ist, so ist diese nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen, und zwar in eine möglichst gleichwertige Stellung. Dabei eröffnet § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG jedoch nicht den Weg zu einer Abwägung mit den sozialen Belangen anderer Arbeitnehmer, die im Wege der Übernahme entlassen werden müssen. Vielmehr ist auf einer ersten Stufe zu prüfen und gegebenenfalls durch das Betriebsratsmitglied auf dem Rechtsweg durchzusetzen, ob ein Anspruch des Betriebsratsmitgliedes auf Übernahme besteht. Dies ist allein zwischen dem Betriebsratsmitglied und dem Arbeitgeber zu klären, da der Gesetzeszweck, nämlich der Schutz von Funktionsträgern, sich nur an das Betriebsratsmitglied und den Arbeitgeber, nicht jedoch an Dritte wendet. Nur das Betriebsratsmitglied hat den besonderen Schutz des § 15 KSchG, nur das Betriebsratsmitglied und nicht ein dritter Arbeitnehmer kann sich daher auf die Übernahmeverpflichtung des § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG stützen.
2. Wird das Betriebsratsmitglied übernommen, so ist auf einer zweiten Stufe die Kündigung eines nicht dem besonderen Kündigungsschutz unterfallenden Arbeitnehmers anläßlich des Einsatzes des Betriebsratsmitgliedes auf dessen Arbeitsplatz an § 1 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 KSchG zu messen. Dabei ist gegebenenfalls der Schutz des „normalen” Arbeitnehmers etwa nach dem Schwerbehindertengesetz oder dem Mutterschutzgesetz gegen den Schutz des Betriebsratsmitgliedes aus § 15 KSchG abzuwägen.
Leitsatz (redaktionell)
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in 7facher Ausfertigung bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
*ACHTUNG
Ab 22.11.1999 lautet die Adresse des Bundesarbeitsgerichts:
Hausadresse: |
Postadresse: |
Bundesarbeitsgericht |
Bundesarbeitsgericht |
Hugo-Preuß-Platz 1 |
99113 Erfurt |
99084 Erfurt |
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Normenkette
KSchG § 15 Abs. 5 S. 1, § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.03.1999; Aktenzeichen 10 Ca 33333/98) |
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 17. September 1999 – 19 Sa 966/99 – wird aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. März 1999 – 10 Ca 33333/98 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz, die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung nach der Übernahme eines Betriebsratsmitgliedes aus einer anderen Betriebsabteilung auf den Arbeitsplatz des Klägers gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG.
Der am 27. Juli 1949 geborene ledige und einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 3. März 1997 als Lager- und Transportarbeiter im Berliner Betrieb der Beklagten beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 2.603,– DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Neben dem Kläger wurde ein weiterer Transport- und Lagerarbeiter beschäftigt, Herr … Herr … ist 1963 geboren, seit dem 1. Juli 1990 im Betrieb der Beklagten und verheiratet.
Die Beklagte, ein Unternehmen der Berliner Metallindustrie, welches die Tarifverträge der Berliner Metallindustrie anwendet, beschäftigt regelmäßig ca. 65 Arbeitnehmer, es besteht ein Betriebsrat. Geschäftsgegenstand der Beklagten ist die Herstellung von Relais und von Zubehörteilen für die Telekommunikationstechnik.
Im Betrieb der Beklagten wurde zum Ende Oktober/Mitte November 1998 die Stanzerei stillgelegt, die dort beschäftigten Arbeitnehmer wurden bis auf diejenigen, die Sonderkündigungsschutz besaßen, gekündigt. Die Beklagte bot dem Betriebsratsmitglied Herrn … der gelernter Werkzeugmacher ist und als Stanzer in der stillgelegten Abteilung Stanzerei tätig war, den Arbeitsplatz des Klägers an, den Herr … akzeptierte.
Aufgrund dessen kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrates am 12. Oktober 1998 (vgl. dazu das Anhörungsschreiben in Kopie Bl. 9 bis 10 d.A.) und Zustimmung des Betriebsrates am 13. Oktober 1998 (vgl. dazu das Zustimmungsschreiben vom 13.10.1998 in Kopie Bl. 11 d.A.) das Arbeitsverhältnis des Klägers betriebsbedingt mit der Kündigung vom 16. Oktober 1998, welches dem Kläger am selben Tag zuging, zum 31. Oktober 1998 (vgl. dazu das Kündigungsschreiben in Kopie Bl. 2 d.A.). Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht Berlin am 5. November 1998 eingegangenen und der Beklagten am 17. November 1998 zugestellten Kündigungsschutzklage gewendet. Am 19. Januar 1999 hat der Kläger ein neues befristetes Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber begonnen.
Der Kläger hat die Kündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten und dazu ausgeführt, daß die Kündigung nicht unvermeidbar gewesen sei, da die Beklagte Herrn … in verschiedenen anderen Betriebsabteilungen hätte einsetzen könne...