Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung einer Mitarbeiterin für psychologische Beratung und Betreuung wegen aktiver Tätigkeit für die Scientologie-Bewegung
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 31.10.1996; Aktenzeichen 65 Ca 39176/95) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Oktober 1996 – 65 Ca 39176/95 – wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer mit Schreiben des Beklagten vom 14. Dezember 1995 ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise zum 31. Januar 1996 erklärten fristgemäßen Kündigung.
Die am 10. September 1959 geborene Klägerin ist Psychologin. Sie stand aufgrund schriftlichen, bis zum 30. April 1996 befristeten Arbeitsvertrages (Bl. 4/5 R. d.A.) seit dem 1. Mai 1995 als Mitarbeiterin für psychologische Beratung gegen eine Bruttovergütung von zuletzt 3.228,92 DM monatlich in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten, nachdem sie seit etwa 1 ½ Jahren Arbeitnehmerin des …, einem Mitglied des Beklagten, war.
Nach § 4 des Arbeitsvertrags bestanden die vorrangigen Aufgaben der Klägerin in der psychologischen Betreuungs- und Beratungsarbeit in russischer Sprache, der individuellen psychologischen Beratung, der Betreuung von Familien, Alleinstehenden, Kindern und Jugendlichen in akuten Krisensituationen und in der Zusammenarbeit mit Ärzten und Psychiatern. Darüber hinaus hatte die Klägerin cooperativ im Projektteam mitzuwirken und je nach Arbeitssituation, entsprechend Vorbildung, Qualifikation und Fähigkeit auch andere zumutbare Aufgaben zu übernehmen. Weitere Beschäftigungsverhältnisse und Nebenbeschäftigungen waren dem Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Nach § 9 des Vertrages war die Klägerin verpflichtet, ihre Arbeitskraft ungeteilt der Tätigkeit im Projekt, dem Anliegen und den Aufgaben des Beklagten sowie des … zu widmen und deren Interessen in jeder Hinsicht zu wahren sowie zu fördern. Sie hatte über Projekt-, Verbands- und Vereinsangelegenheiten, über Vorgänge und Fakten, die ihr im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten, gegenüber Außenstehenden jederzeit Verschwiegenheit zu bewahren.
Der … ist ein gemeinnütziger Verein, der sich mit der Betreuung russisch sprechender Berliner befaßt. Er kümmert sich u.a. um Rußland-Deutsche und jüdische Immigranten. Insgesamt gibt es ungefähr 50.000 russisch sprechende Berliner, die als zu betreuende Personen in Frage kommen. Der vorgenannte Club ist gleichzeitig Selbsthilfeorganisation und Interessenvertretung für diese Menschen. Er berät sie in allen sozialen Bereichen und führt kulturelle Veranstaltungen durch. Innerhalb des Clubs Dialog gibt es ein Projekt mit der speziellen Aufgabenstellung der Betreuung russisch sprechender Jugendlicher, ein multikulturelles Jugend- und Kommunikationszentrum, genannt „Die Scheune”. Das Projekt wird im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes finanziert. Die Finanzierung der Aufgaben des vorgenannten Vereins erfolgt teilweise auch durch das Büro der Ausländerbeauftragten. Die Klägerin war auch in diesem Kommunikationszentrum tätig.
Die Klägerin hatte 1995 enge Verbindungen zu einer Berliner Organisation der Scientology-Bewegung, die nach den Feststellungen u.a. des Bundesarbeitsgerichts in dem Urteil vom 22. März 1995 – 5 AZB 21/94 – (Bl. 70 bis 125 d.A.) eine Institution zur Vermarktung bestimmter Erzeugnisse ist, wobei die religiösen oder weltanschaulichen Lehren als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele dienten. Dianetik ist dabei das theoretische Gedankengebäude der Scientologen. Hierbei handelt es sich um ein vom Gründer dieser Bewegung L. Ron Hubbard (LRH) geschaffenes Kunstwort. Die verschiedenen Scientology-Organisationen führen „Dianetik-Seminare” und „-Heimkurse” durch. Scientology-Bewegung und ihre Organisationen sind in der Bundesrepublik Deutschland überaus zweifelhaft und umstritten. Die ständige Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der Länder und des Bundes stellte am 6. Mai 1954 entsprechend einer Pressemitteilung Nr. 19/94 (Bl. 58 d.A.) fest, die Scientology-Organisation stelle sich gegenwärtig den für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zuständigen Behörden der Inneren Verwaltung als eine Organisation dar, die unter dem Deckmantel einer Religionsgemeinschaft Elemente der Wirtschaftskriminalität und des Psychoterrors gegenüber ihren Mitgliedern mit wirtschaftlichen Betätigungen und sektierischen Einschlägen vereine, der Schwerpunkt der Aktivitäten scheine im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu liegen, deshalb sollten staatliche Abwehrmaßnahmen zunächst in diesem Bereich fortgesetzt werden. Diese Organisation wird in der Bundesrepublik Deutschland nunmehr vom Verfassungsschutz in Bund und Ländern beobachtet, da deren Ziel die Herrschaft in einzelnen Staaten, am Ende der ganzen Welt, sei (vgl. Bericht der Berliner Morgenpost vom 7. Juni 1997, Seite 3).
Wer die Scientology-Organ...