Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Pflichtenkollision. Kinderbetreuung nach Ablauf des Erziehungsurlaubs
Leitsatz (redaktionell)
Das angekündigte Nichterscheinen am Arbeitsplatz einer alleinerziehenden Mutter wegen der Betreuung eines an Neurodermitis erkrankten Kleinkinds nach Ablauf des Erziehungsurlaubs ist nicht mit einer Selbstbeurlaubung vergleichbar und rechtfertigt daher keine fristlose Kündigung.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 25.06.2002; Aktenzeichen 25 Ca 8341/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Juni 2002 – 25 Ca 8341702 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen fristgemäßen Kündigung wegen Arbeitsverweigerung, der die Klägerin zur Rechtfertigung eine Pflichtenkollision wegen der Betreuung ihres an Neurodermitis erkrankten Kleinkindes entgegenhält.
Die 1964 geborene Klägerin ist seit 1992 bei der Beklagten, die über fünf Arbeitnehmer beschäftigt, als kaufmännische Angestellte gegen ein Bruttoentgelt von 1.650,– EUR monatlich tätig.
Am 20. Februar 1999 wurde der Sohn der Klägerin geboren. Der sich anschließende Erziehungsurlaub dauerte bis 18. Februar 2002. Im November 2001 sprach die Klägerin den Depotleiter der Beklagten auf die Gewährung von unbezahltem Urlaub nach Ablauf des Erziehungsurlaubes an. Zu einer Verständigung kam es nicht. Am 13. Dezember 2001 beantragte die Klägerin in einem Gespräch sechs Monate unbezahlten Urlaub im Anschluss an den Erziehungsurlaub. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 13. Dezember 2001 ab, in dem sie mitteilte, sie erwarte die Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub am 19. Februar 2002, die Arbeitszeit sei wie gewohnt von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr, das heiße, dass innerhalb dieser Zeit abteilungsbezogen die wöchentlichen 38 Arbeitsstunden einzuplanen seien. Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 15. Januar 2002 an den Gesellschafter der Beklagten, Herrn Sch., und bat diesen nochmals um einen sechsmonatigen unbezahlten Urlaub. Hierbei legte sie ein ärztliches Attest vom 9. Januar 2002 vor (siehe das Attest in Kopie Bl. 5 d.A.), in dem der Kinderarzt ausführt, der Sohn der Klägerin leide an einer schweren Neurodermitis. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet. Am 19. Februar 2002 und in der Folgezeit erschien die Klägerin nicht zur Arbeit. Unter dem 27. Februar 2002 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung aufgrund ihres Fernbleibens und teilte mit, sie werde das Arbeitsverhältnis kündigen, falls die Klägerin die Arbeit nicht bis zum 4. März 2002 wieder aufnehme. Die Klägerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 1. März 2002, dass sie aufgrund der nach wie vor nicht gegebenen Betreuungsmöglichkeit nicht erscheinen könne, wie sie dies schon mehrfach mitgeteilt hätte.
Mit Schreiben vom 5. März 2002, bei dem bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat am 5. März 2002 eingegangen, hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer außerordentlichen Kündigung der Klägerin an. Auf das Anhörungsschreiben wird Bezug genommen (siehe das Schreiben in Kopie Bl. 20 d.A.).
Eine Antwort des Betriebsrats erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 11. März 2002 erklärte die Beklagte die fristlose, vorsorglich fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu das Schreiben in Kopie Bl. 4 d.A.).
Mit ihrer am 20. März 2002 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 3. April 2002 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewendet
Ein Grund für eine fristlose Kündigung läge nicht vor. Sie hätte mangels Betreuungsmöglichkeit für ihren Sohn nicht zur Arbeit erscheinen können. Sie hätte ihren Sohn auch sofort nach der Geburt für einen Kindergartenplatz angemeldet. Bedauerlicherweise sei ihr mitgeteilt worden, dass die gewünschte Aufnahme zum 1. Februar 2002 nicht möglich sei und ihr Sohn erst zum 1. August 2002 aufgenommen werden könnte. Eine vorübergehende Betreuung durch Tagesmütter sei aufgrund der schweren Neurodermitis nicht ohne weiteres möglich, hier seien Eingewöhnungszeiten und eine verlässliche durchgehende Betreuung angezeigt. Sie hätte sich auch bemüht, in der Verwandtschaft eine Betreuungsmöglichkeit zu finden. Dies sei seinerzeit nicht möglich gewesen, nunmehr sei ihre Mutter seit dem 1. Juli 2002 Rentnerin, so dass nunmehr die Betreuung gesichert werden könne.
Die ordentliche Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat hierzu nicht angehört worden sei und im Übrigen die Wochenfrist vor Ausspruch der Kündigung nicht abgelaufen gewesen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die Kündigung vom 11. März 2002 weder fristlos noch fristgemäß aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hätte sich nach dem Ende des Erziehungsurlaubes nicht weiter gemeldet und die Arbei...