Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstundenvergütung. Verwirkung. Verjährung
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Arbeitnehmer sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich die Geltendmachung von Überstundenvergütung vorbehalten, so tritt mangels zusätzlicher Umstände bis zum Ablauf der Verjährungsfrist keine Verwirkung ein.
2. § 193 BGB findet auf den Ablauf einer Verjährungsfrist entsprechende Anwendung.
Normenkette
BGB §§ 193, 196 Abs. 1 Nr. 8, §§ 201, 242
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 02.05.1996; Aktenzeichen 78 Ca 6237/96) |
Tenor
1 Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Mai 1996 – 78 Ca 6237/96 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie die Klage im Umfang von 26.273,45 DM brutto nebst Zinsen, abgewiesen worden ist, und die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger weitere 26.273,45 DM (sechsundzwanzigtausendzweihundertdreiundsiebzig 45/100) brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus errechnenden Nettobetrag seit dem 01. Januar 1994 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger 1.678,60 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe für Januar 1994 Vergütung für 70 Überstunden zu, die sich aus der eigenen Arbeitszeitauswertung der Beklagten zu 1) bei einer vereinbarten 38,5-Stunden-Woche und einer Abgeltung von Überstunden in „angemessenem Rahmen” von monatlich 20 Stunden ergäben. Für die beiden Folgemonate habe es an einer konkreten Darlegung geleisteter Überstunden gefehlt.
In Höhe weiterer 40.623,15 DM brutto hat das Arbeitsgericht die Klage gegen die Beklagte zu 1) und in Höhe von 3.873,55 DM brutto, die Klage gegen die Beklagte zu 2) auf deren Einrede hin abgewiesen, weil die zugrundeliegenden Ansprüche aus 1992 und 1993 bei Eingang der vollständigen Klageschrift am 2. Januar 1996 bereits verjährt gewesen seien, während das am 29. Dezember 1995 eingegangene Telefax unvollständig gewesen sei und mangels Unterschrift nicht als ordnungsgemäße Klage habe betrachtet werden können.
Gegen dieses ihm am 8. Juli 1996 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. August 1996 eingelegte und am 30. September 1996 nach Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung des Klägers, mit der er nur noch die Beklagte zu 1) auf Überstundenvergütung für 1993 in Anspruch nimmt. Der Kläger behauptet, alles Erforderliche für eine ordnungsgemäße Übersendung der Klageschrift per Telefax getan zu haben, und meint, daß ein Defekt in der Übertragungsleitung oder am Empfangsgerät mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht zu seinen Lasten gehen dürfe.
Der Kläger beantragt.
die Beklagte zu 1) unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn weitere 39.892,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1994 zu zahlen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Vorbringen des Klägers zu einem ordnungsgemäßen Fax-Versuch für unzureichend. Jedenfalls genüge seine Bezugnahme auf ein Anlagenkonvolut zur Klageschrift nicht für eine substantiierte Anspruchsdarlegung, seien die Überstunden nicht angeordnet gewesen, und sei ein etwaiger Anspruch auf Überstundenvergütung verwirkt, weil der Kläger sich nach Abschluß des Aufhebungsvertrags vom 29. März 1994 fast zwei Jahre Zeit gelassen habe, mit seiner Forderung an sie heranzutreten.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Berufung ist zum überwiegenden Teil auch begründet.
1.1 Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Überstundenvergütung gemäß § 612 Abs. 1 BGB in Höhe von 26.273,45 DM brutto.
1.1.1 Der Umfang der vom Kläger im Jahre 1993 geleisteten Überstunden ist in den von ihm als Anlage zur Klageschrift in Ablichtung zur Akte gereichten Arbeitszeitauswertungen der Beklagten (Bl. 18–44 d.A.) dokumentiert. Mit der Bezugnahme auf diese Arbeitszeitauswertungen genügte der Kläger auch seiner Darlegungslast, weil dort sämtliche Daten übersichtlich aufgelistet sind und es nicht dem Gericht überlassen blieb, sich selbst erst für das Klagebegehren relevante Details herauszusuchen.
1.1.2 Daß sich der Kläger gemäß § 4 Nr. 1 Satz 1 seines Anstellungsvertrags vom 28. August 1992 (Ablichtung Bl. 10–13 d.A.) verpflichtet hatte, im Falle betrieblicher Notwendigkeit auf Anordnung Überstunden im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu leisten, schloß es nicht aus, daß er für ohne eine entsprechende Anordnung über die gesetzlichen Höchstgrenzen hinaus geleistete Überstunden einen Anspruch auf Vergütung erlangt hat, sofern diese Überstunden nicht durch sein Gehalt abgegolten waren, wie in Satz 2 des § 4 Nr. 2 Anstellungsvertrag vorgesehen war. Dies ergab sich daraus, daß die Beklagte zu 1) die vom Kläger geleisteten Überstunden widerspruchslos entgegengenommen hat, worin ein konkludentes Einverständnis mit ihrer Leistung zu sehen war (§ 133 BGB).
1.1.3 Für die Zeit bis April 1993 ko...