Entscheidungsstichwort (Thema)
Probearbeitsverhältnis. Einfühlungsverhältnis. Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Dalegungs- und Beweislast für Einfühlungsverhältnis. Vergütungspflicht im Einfühlungsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Der Abschluss sog. Einfühlungsverhältnisse – einer unbezahlten Kennenlernphase zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber – ist zulässig.
2. Streiten die Parteien über den Inhalt ihrer vertraglichen Abmachungen, spricht sowohl die – unstreitige – Vereinbarung eines Tätigwerdens des Arbeitnehmers für 4 Tage im Betrieb des Arbeitgebers als auch die – unstreitige – Tatsache, dass der Arbeitnehmer die Frage der Bezahlung erst nach Beendigung der Tätigkeitsphase angesprochen hat, für den Abschluss eines – unbezahlten – Einfühlungsverhältnisses und gegen die Vereinbarung eines – bezahlten – Probearbeits-, Praktikums- oder Volontärverhältnisses.
Der Arbeitnehmer trägt dann die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, es sei eine Bezahlung des Einfühlungsverhältnisses vereinbart worden.
3. Die Kammer neigt zu der Auffassung, dass während kurzer Einfühlungsverhältnisse Arbeitnehmer keinen Lohn-/Gehaltsanspruch erwerben, und zwar auch dann nicht, wenn sie während des Einfühlungsverhältnisses für den Arbeitgeber verwertbare bzw. nützliche Tätigkeiten verrichten (gegen LAG Hamm, LAGE Nr. 2 zu § 611 BGB Probearbeitsverhältnis).
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 138; BBiG § 19
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Urteil vom 24.01.2002; Aktenzeichen 8 Ca 8234/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 24.01.2002 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für eine Tätigkeit bei der Beklagten in der Zeit vom 14.08.2001 bis 17.08.2001 eine Vergütung zusteht.
Der am 01.12.1974 geborene Kläger ist gelernter Fotolaborant. Im Juli 2001 bewarb sich der Kläger auf eine bei der Beklagten zu besetzende Stelle, auf die er durch das Arbeitsamt aufmerksam geworden war.
Am 02.08.2001 fand ein Vorstellungsgespräch statt, über dessen Inhalt die Parteien streiten.
Unstreitig wurde der Kläger in dem Zeitraum vom 14. bis 17.08.2001 in den Betriebsablauf eingewiesen, führte zusammen mit dem Auszubildenden sowie einer Aushilfe – zum Teil auch mit der Geschäftsführerin Frau N. – Fotovergrößerungsarbeiten, das Scannen von Negativen sowie Übungen am Computer durch.
Zu einer Einstellung des Klägers kam es nicht.
Mit seiner Klage macht der Kläger die Vergütung von 26 Stunden á DM 15,00 geltend.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen:
In dem persönlichen Vorstellungsgespräch sei eine Probe-/Praktikumswoche zum Feststellen seiner Fertigkeiten vom 14.08.2001 bis 17.08.2001 mit Frau N. vereinbart worden. Eine Festeinstellung bei vollem Kenntnisstand der benötigten Fotoprogramme zu einem Gehalt von DM 3.200,00 brutto sei ihm in Aussicht gestellt worden.
Seine Tätigkeiten in der Zeit vom 14. bis 17.08.2001 hat der Kläger wie folgt dargestellt:
„Di. 14. Aug. 2001
Arbeitsbeginn 08:30 Uhr
Arbeitsende 18:00 Uhr
- Einweisung Betriebsablauf
- Fotovergrößerung mit AZUBI (A.) Fotograph
Mi. 15. Aug. 2001
Arbeitsbeginn 08:30 Uhr
Arbeitsende 18:00 Uhr
Do. 16. Aug. 2001
Arbeitsbeginn 08:30 Uhr
Arbeitsende 18:00 Uhr
- Fotovergrößerungen mit Aushilfe
- Scannen von Negativen
Fr. 17. Aug. 2001
Arbeitsbeginn 08:30 Uhr
Arbeitsende 18:00 Uhr
- Übungen am Computer
- Scannen von Negativen
- Gespräch mit Frau N.
Möchte mich übernehmen
Bedenkzeit bis Di. 21. Aug. 2001 18:00 Uhr”
Die weiteren Gespräche über eine Festanstellung hat der Kläger in erster Instanz wie folgt vorgetragen:
„Die. 21. Aug. 2001 18:00 Uhr
Gespräch mit Frau N. über Gehaltsvorstellung
Meine Variante
1. ½ Jahr (Einarbeitungs-Jahr) 2.600,00 DM brutto
danach 3.200,00 DM brutto
Festvertrag
Richtwerte durch Ermittlung beim Arbeitsamt
Letztes Lehrjahr AZUBI ca. 17,73 DM Std. brutto
Lehrgruppe 5 (Fotobereich Labor)
Variante von Frau N.
1. ½ Jahr
Unentgeltlich mit der Begründung
(„Sie bekommen ja noch die Übergangsgebürnisse von der Bundeswehr und danach erhalten Sie ja Arbeitslosengeld, oder?)
danach 2.800,00 DM mit einer monatlichen Erhöhung von 100,00 DM bis zur Endsumme von 3.200,00 DM brutto
Festvertrag
Kurzfristige Bedenkzeit eingeräumt.
Mi. 22. Aug. 2001 gegen Mittag
Anruf von Frau N.
Sie hat gefragt, ob wir gestern in brutto oder in netto verhandelt hätten Absage der Stelle meinerseits
Auf Frage von mir, ob ich für die 4 Tage eine Bezahlung bekomme antwortete Frau N.:
„Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich Sie nicht zu dieser Woche eingeladen”
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, EUR 276,10 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 23.08.2001 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
- die Klage abzuweisen
- sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Da der Kläger keine einschlägigen beruflichen Erfahr...