Entscheidungsstichwort (Thema)

Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Betriebsausschuss

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens sowie die Beauftragung eines Rechtsanwalts hiermit ist kein Geschäft der laufenden Verwaltung des Betriebsrats/Gesamtbetriebsrats. Aus diesem Grund ist der Betriebsausschuss (§ 27 Abs. 3 BetrVG) bzw. der Gesamtbetriebsausschuss zu einem rechtswirksamen Handeln für den Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat nicht originär legitimiert; es bedarf vielmehr eines ordnungsgemäßen Beschlusses des Betriebsrats/Gesamtbetriebsrats.

 

Normenkette

BetrVG § 27 Abs. 2, § 51

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Aktenzeichen 2 BVGa 2/15)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der antragstellende Gesamtbetriebsrat begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der zu 2) beteiligten Antragsgegnerin, der Arbeitgeberin, Unterlassung zweier neu eingeführter, EDV-gestützter Maßnahmen. Der Arbeitgeberin soll zum einen die Verwendung sogenannter Beratungscoupons untersagt werden und zum anderen die Durchführung einer Kundenbefragung. Der Gesamtbetriebsrat sieht jeweils Mitbestimmungsrechte, insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG berührt.

Die Arbeitgeberin betreibt weit über 100 Baumärkte. In 59 Baumärkten sind Betriebsräte gebildet. Der Gesamtbetriebsrat besteht aus 106 Mitgliedern, sein Gesamtbetriebsausschuss hat 11 Mitglieder.

Die Arbeitgeberin führte zur Steigerung der Kundenorientierung im Jahre 2015 sogenannte Beratungscoupons ein. Dabei handelt es sich um aufklebbare Coupons, die mit einem Strichcode versehen sind, der für den jeweiligen Markt einheitlich ist. Die Coupons werden an die Mitarbeiter ausgegeben. Diese sind angewiesen, den Coupon auf einen Artikel zu kleben, zu dem sie einen Kunden beraten haben. An der Kasse wird der Strichcode des Beratungscoupons im Zusammenhang mit dem Kassiervorgang eingescannt, wobei je Einkauf nur ein Beratungscoupon erfasst wird. Mit Einführung des Beratungscoupons war ursprünglich die Einführung eines Bonusmodells beabsichtigt. Nachdem der Gesamtbetriebsrat sich hierzu jedoch nicht geäußert hat, hat die Arbeitgeberin diese Absicht nicht weiter verfolgt. Inzwischen hat der Gesamtbetriebsrat der Einführung des Bonusmodells zugestimmt.

Ferner beabsichtigt die Arbeitgeberin, in ausgewählten und eigenen Märkten sowie in Märkten der Schwestergesellschaften jeweils für ca. 3 Wochen Kundenumfragen durchzuführen. Hierfür wird auf dem Kassenbon den Kunden eine 20-stellige Nummer aufgedruckt, die sogenannte Bon-ID. Zugleich wird dem Kunden ein Fleyer ausgehändigt, in welchem der Kunden eingeladen wird, sich mittels der Bon-ID auf einer Internetseite der Arbeitgeberin einzuloggen und dort online an einer Kundenumfrage teilzunehmen. Es handelt sich um 27 Fragen, darunter auch die Fragen, ob der Kunde von einem Mitarbeiter im Markt angesprochen worden ist, ob er einen verfügbaren Mitarbeiter gefunden habe und inwieweit er mit dem Mitarbeiterkontakt zufrieden gewesen sei. Zur Erhebung und Auswertung der Daten hat die Antragsgegnerin eine externe Management Consult Firma beauftragt.

Über die Einführung der Maßnahmen hat die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat informiert.

Mit seinem am 08.05.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt der Gesamtbetriebsrat die Unterlassung beider Maßnahmen. Er verweist auf zwei Beschlüsse seines Gesamtbetriebsausschusses zur Einleitung von Beschlussverfahren mit dem Ziel, dem Arbeitgeber die dargestellten Maßnahmen zu untersagen. Auf die Glaubhaftmachungen des Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats wird Bezug genommen (Bl. 16 - 18 d. A.).

Der Gesamtbetriebsrat ist der Auffassung, die Maßnahmen verletzten sein Mitbestimmungsrecht. Die Erfassung der Beratungscoupons lasse mit Hilfe des Artikels, des Kaufzeitpunkt und unter Hinzuziehung des Schichtplans einen Rückschluss auf den Beschäftigten zu, von dem der Beratungscoupon auf die Ware geklebt worden sei. Es seien die Mitbestimmungsrechte aus § 7 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 10 BetrVG verletzt. In gleicher Weise lasse sich das Ergebnis der Kundenbefragung über den Strickcode, den Einkaufszeitpunkt, die betroffene Ware und unter Beiziehung des Schichtplans auf einen konkreten Mitarbeiter zurückführen. Unerheblich sei, ob dies von der Arbeitgeberin beabsichtigt werde. In beiden Fällen falle die Ausübung des Mitbestimmungsrechts in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, da es sich um betriebsübergreifende, unternehmensgesteuerte Maßnahmen handele.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,

  1. die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, es zu unterlassen, Beschäftigte anzuweisen, Barcodeaufkleber / Beratungscoupons mit einem Strichcode zur Messung der Beratungsqualität auf die Waren aufzubringen, solange keine Zustimmung des Betriebsrats hierzu vorliegt oder eine diese ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle.

    Hilfsweise zu 1),

    die Beteiligte zu 2) zu verurteilen, es zu unterlassen, auf den Waren von den Beschäftigt...

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