Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Abstimmung hinsichtlich der Teilnahme eines selbständigen Betriebsteils an der Betriebsratswahl des Hauptbetriebs
Leitsatz (amtlich)
1. Die Arbeitnehmer eines selbständigen Betriebsteils können gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mit Stimmenmehrheit formlos beschließen, an der Wahl des Hauptbetriebs teilzunehmen. Fehler bei dieser Wahl, die das Abstimmungsergebnis beeinflussen und sich auf die Betriebsratswahl auswirken, führen zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl.
2. Wenn acht Mitarbeiter des selbständigen Betriebsteils anlässlich des wöchentlichen Frühstücks mündlich einstimmig die Entscheidung treffen, an der Betriebsratswahl des Hauptbetriebs teilzunehmen, genügt dies für § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Weder ist eine förmliche Betriebsversammlung notwendig, noch muss die Abstimmung geheim erfolgen.
3. Wird die formlose Abstimmung nur von einem Mitarbeiter initiiert, genügt es für § 4 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 2 BetrVG (Veranlassung der Abstimmung von drei Arbeitnehmern), wenn sich die anderen sieben Arbeitnehmer des selbständigen Betriebsteils die Initiative zu eigen machen, weil sie an dem formlosen Abstimmungsprozess anlässlich des wöchentlichen Frühstücks teilnehmen.
4. Auch für eine formlose Abstimmung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist es erforderlich, dass von dieser alle Wahlberechtigten rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werden. Ist dies im Hinblick auf eine studentische Aushilfskraft unterblieben und hat sie nicht an der Abstimmung teilgenommen, führt dies nicht zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl, wenn sich dies nicht auf das Ergebnis der formlosen Abstimmung auswirkt, weil die übrigen acht Arbeitnehmer des selbständigen Betriebsteils einstimmig die Teilnahme an der Betriebsratswahl des Hauptbetriebs beschlossen haben.
5. Die Frage, keinen Betriebsrat zu wählen, muss nicht zur Abstimmung gestellt werden, weil § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nur die Abstimmung zu der Frage vorsieht, an der Betriebsratswahl des Hauptbetriebs teilzunehmen.
6. Einzelfallentscheidung zur Abgrenzung von selbständigem Betriebsteil und Betrieb.
7. Einzelfallentscheidung zur Zuordnung ins Ausland entsandter Arbeitnehmer zum Hauptbetrieb in Deutschland.
Normenkette
BetrVG § 1 Abs. 1; WO § 22 Abs. 1; ZPO § 286; BetrVG § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1-2, § 19 Abs. 1; WO § 2 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.08.2014; Aktenzeichen 1 BV 90/14) |
Tenor
- Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.08.2014 - 1 BV 90/14 - wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die den Antrag stellende Arbeitgeberin ist eine Architektenpartnerschaft mit Standorten u.a. in E., L., G., I., M., T., M. und N. und der Geschäftsführung in E.. An den Standorten E. und L. bestand ein Betriebsrat. Gebildet war außerdem ein Gesamtbetriebsrat. Das T. Büro der Arbeitgeberin war aus der 1995 gegründeten I. M. & Partner Planungsgesellschaft mbH hervorgegangen und im Juni 2010 - nach der damaligen Betriebsratswahl am 22.04.2010 - mit der Arbeitgeberin verschmolzen. Es handele sich um das Kompetenzzentrum der Arbeitgeberin für die Planung von Krankenhausbauten und Einrichtungen des Gesundheitswesens mit entsprechend beruflich befähigten und spezialisierten Architekten. Der Standort in M. betraf die Großbaustelle C.. Bei der Betriebsratswahl 2010 hatten die damals am Standort T. beschäftigten Arbeitnehmer an der Wahl zum E. Betriebsrat teilgenommen. Der Beteiligte zu 2) ist der am 02.04.2014 am Standort E. gewählte Betriebsrat (im Folgenden Betriebsrat).
Im September 2013 waren am Standort in T. neben dem Projektpartner C. folgende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt: Q. C., T. L., T.-Z. L., M. L., U. M., H. Q., T. X. und K. A.. Davon waren mehr als drei Arbeitnehmer länger als sechs Monate am Standort T. tätig gewesen.
Die Betriebsratswahl für den Standort E. wurde durch das Wahlausschreiben vom 18.02.2014 bekanntgemacht. Ausweislich des Wahlausschreibens hatte das Büro T. mit neun Mitarbeitern durch Abstimmung beschlossen, an der Betriebsratswahl des Hauptbetriebs in E. teilzunehmen. Die Anlage zum Wahlausschreiben enthielt die Wählerlisten A (Frauen) und B (Männer). Darauf waren zehn Mitarbeiter mit dem Beschäftigungsort T. vermerkt. Bei den übrigen Mitarbeitern war als Beschäftigungsort E. angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das zur Akte gereichte Wahlausschreiben nebst Anlagen Bezug genommen. Dem Betriebsrat war von der Arbeitgeberin zur Vorbereitung der Betriebsratswahl eine Liste der von ihr dem Standort T. zugeordneten Mitarbeitern mit dem Stand 30.01.2014 übergeben worden. Genannt waren neben dem Projektpartner C. folgende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: F.-D. C., Q. C., I.-V. K., T. L., T.-Z. L., M. L., U. M., Q. N., H. Q., N. Q., N. Q., T. X., K. A. und E. B.. Nach Rückfrage bei Frau L. stellte sich heraus, d...