Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung einer Betriebsänderung. Interessenausgleich. Abschluss eines Interessenausgleichs. Unterlassungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Dem Betriebsrat steht kein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch gegen den Arbeitgeber zu, Betriebsänderungen bis zum Abschluss von Interessenausgleichsverhandlungen zu unterlassen.
Normenkette
BetrVG § 111; ArbGG § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Beschluss vom 01.09.2005; Aktenzeichen 4 BVGa 9/05) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom01.09.2005 wird kostenfällig zurückgewiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel zulässig.
Tatbestand
A. Der antragstellende Betriebsrat will durch Erlass einer einstweiligen Verfügung der Arbeitgeberin untersagen lassen, bis zum Abschluss der Verhandlung über einen Interessenausgleich den Abbau von Arbeitsplätzen wegen des Verlustes des Großauftrags I. durchzuführen.
Der Antragsteller ist der in der Niederlassung E. der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat. Zum 31.08.2005 waren in der Niederlassung 108 Arbeitnehmer beschäftigt. Wegen Wegfalls des Großauftrags I. zum 31.12.2004 und daraufhin geplanten Personalabbaus nahm die Arbeitgeberin zum Jahreswechsel 2004/ 2005 mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan auf. Nachdem der Betriebsrat sich dem Personalbbau widersetzt hatte und auch die Auftragslage im Januar 2005 sich besser als erwartet gestaltete, stellte die Arbeitgeberin die beabsichtigte Personalanpassung zurück. Bis Ende Mai 2005 schieden in der Niederlassung drei Mitarbeiter durch Aufhebungsvertrag aus. Drei weitere Mitarbeiter wechselten mit der Übernahme des Spezialfahrzeugs „Luftförderanlage” zur Firma I.. Zwei Arbeitnehmer gingen in Ruhestand. Einige Mitarbeiter wurden vorübergehend von der Niederlassung L. beschäftigt. Im August 2005 beschloss die Arbeitgeberin, den Personalbestand der Niederlassung E. um 10 Mitarbeiter zu reduzieren, und erklärte am 31.08.2005 die entsprechende Anzahl von Kündigungen, verbunden mit einem Versetzungsangebot nach F. in der Nähe von X.. 9 Arbeitnehmer lehnten das Änderungsangebot ab; mit 3 Arbeitnehmern schloss die Arbeitgeberin einen gerichtlichen Auflösungsvergleich. Am 31.10.2005 sprach sie gegenüber 5 Arbeitnehmer eine Nachkündigung aus. Gegen die Kündigungen vom 31.08.205 und 31.10.2005 gerichtete Kündigungsschutzklagen hat das Arbeitsgericht Duisburg inzwischen stattgegeben.
Am 29.08.2005 hat der Betriebsrat beim Arbeitsgericht Duisburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Durch Beschluss vom 01.09.2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Mit der Beschwerde verfolgt der Betriebsrat den Untersagungsantrag weiter. Er sieht die Veranlassung sämtlicher Entlassungen seit Dezember 2004 in dem Wegfall des Großauftrags I. und einem daraufhin von der Arbeitgeberin beschlossenen Personalabbau. Der Betriebsrat meint, dass, weil von der Maßnahme mehr als 10 % der Beschäftigten betroffen seien, die Arbeitgeberin vor einem Interessenausgleich keine Kündigungen aussprechen, Eigenkündigungen anregen oder Aufhebungsverträge abschließen dürfe.
Die Arbeitgeberin behauptet, nach den durchgeführten Personalmaßnahmen Entlassungen nicht mehr zu beabsichtigen. Im übrigen sei der Schwellenwert für eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung nicht erreicht.
Entscheidungsgründe
B. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
I. Das Arbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der Spruchpraxis des Beschwerdegerichts (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 19.11.1996, NZA-RR 1997, 297, Beschluss vom 27.03.2003, 13 TaBV 88/02, n.v., vgl. Beschluss vom 13.12.2001, 13 TaBV 50/01, n.v.) und anderer Landesarbeitsgerichte (LAG Köln, Beschluss vom 30.04.2004, NZA-RR 2005, 199, LAG Hamm, Beschluss vom 01.04.1997, NZA-RR 1997, 343, LAG München, Beschluss vom 24.09.2003, NZA-RR 2004, 536, LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.11.2004, 11 TaBV 18/04, n.v.) zutreffend angenommen, dass dem Betriebsrat kein Verfügungsanspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich zusteht. Die Angriffe der Beschwerde, ihr Hinweis auf gegenteilige Rechtsprechung (z. B. LAG Hamm, Beschluss vom 28.08.2003, NZA-RR 2004, 80) sowie auf die durch die EuGH-Entscheidung vom 27.01.2005 (Rs. C-188/03, NJW 2005, 1099) gestärkten Konsultationspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat greifen nicht durch.
II. Die Frage, ob dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zusteht, ist in Instanzrechtsprechung und Literatur umstritten (Beneke/Mix, ZBVR 2004, 255/257, Etzel, Kasseler Handbuch, 2. Aufl., 9.1, Rz. 981, Fitting, BetrVG, 21., §§ 112, 112 Rz. 51). Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist dabei der BAG-Rechtsprechung gefolgt. „Ein Interessenausgleich erzeugt keinen Anspruch des Betriebsrats auf dessen Einhaltung. Weicht der Arbeitgeber von einem vereinbarten Interessenausgleich ab, so kann dies zwar Ansprüche der...