Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft des Fremdgeschäftsführers
Leitsatz (amtlich)
1. Die einvernehmliche Abstellung eines leitenden Angestellten als „Fremdgeschäftsführer” zu einer anderen Gesellschaft in der Unternehmensgruppe lässt nicht ohne weiteres den Willen der Parteien ersehen, den Arbeitsvertrag in einen Geschäftsführer-Dienstvertrag umzuwandeln.
2. Einzelfallentscheidung zur Frage, ob eine Verletzung von Fremdgeschäftsführer-Pflichten zugleich einen Grund zur außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses abgibt (BAG, Urteil vom 27.11.2008, GWR 2009, 123).
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 01.09.2010; Aktenzeichen 2 Ca 451/10) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen werden das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 01.09.2010 und das Versäumnisurteil vom 11.08.2010 teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 08.02.2010 und 19.04.2010 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst worden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/11 und die Beklagte 8/11. Hiervon ausgenommen sind die durch die Säumnis des Klägers am 11.08.2010 entstandenen Kosten, die dem Kläger auferlegt werden.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis rechtswirksam von der Beklagten gekündigt worden ist.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass Grundlage der Vertragsbeziehungen ein freier Geschäftsführer-Dienstvertrag sei, nachdem der Kläger zum (Mit)-Geschäftsführer der F. mbH sowie der F1. mbH bestellt worden und nahezu zwei Jahrzehnte lang als Geschäftsführer (und nicht als Arbeitnehmer) aufgetreten und behandelt worden sei. Sie begründet die fristlos oder hilfsweise fristgerecht erklärten Kündigungen vom 08.02.2010 und 19.04.2010 u.a. mit dem Vorwurf erheblicher Vertragspflichtverletzungen des Klägers sowie mit dem Verdacht, dass der Kläger von der sog. „Schrottkasse” gewusst und diese toleriert habe.
Der Kläger hält entgegen, dass die Parteien mit dem am 30.05./14.06.1990 geschlossenen Anstellungsvertrag ein Arbeitsverhältnis eingegangen seien und dieses bis zuletzt bestanden habe. Er bestreitet die ihm mit der Kündigung vom 08.02.2010 angelasteten Pflichtverletzungen und erachtet die Verdachtskündigung vom 19.04.2010 für haltlos. Der Kläger begehrt daher mit der Klage von der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger trat gemäß Anstellungsvertrag vom 30.05./14.06.1990 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten „U. Entsorgung GmbH”. Alleingesellschafterin der Beklagten ist mittlerweile die Stadtwerke L. AG. Die T. (zu 51 %) und die Beklagte (zu 49 %) sind ihrerseits Gesellschafter der F. mbH und der F1. mbH.
In dem Anstellungsvertrag der Parteien vom 30.05./14.06.1990 (Bl. 3 ff. GA) Vertrag heißt es u.a. wörtlich:
„§ 2
Das Aufgabengebiet umfasst insbesondere:
1.
…
2.
Weitere Aufgaben:
…
…
Der Dienstnehmer erhält die Leitung des Bereiches MKVA und der Abteilung Technik und Planung in der Beteiligungsgesellschaft F. F. L. GmbH & Co. KG. Der Dienstnehmer erhält Prokura in der F. F. L. und der F1. Entsorgungsanlagengesellschaft.
Es ist vorgesehen, den Dienstnehmer nach angemessener Einarbeitungszeit zum Geschäftsführer der F. F. L. und der F1. Entsorgungsanlagengesellschaft L. zu bestellen. Es wird vereinbart, dass zu diesem Zeitpunkt die Umschreibung des Anstellungsvertrages unter Wahrung des dann erworbenen Besitzstandes auf die F. F. L. GmbH & Co. KG erfolgt, sofern dies zur Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben in der F1. und F1. von den Mitgesellschaftern gefordert wird.
Sofern der Anstellungsvertrag nicht umgeschrieben wird, erhält der Dienstnehmer zeitgleich mit der Geschäftsführerbestellung Prokura für den Dienstgeber.
Der Dienstgeber behält sich vor, dem Dienstnehmer bei unveränderten Bezügen eine andere, seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Das Recht, eine andere Tätigkeit zu übertragen, wird auch durch eine lange währende Verwendung auf demselben Arbeitsplatz nicht eingeschränkt. Der Dienstnehmer erklärt sich gleichfalls bereit, in den Niederlassungen und Beteiligungsfirmen tätig zu werden. Eine dauernde Versetzung bedarf der Zustimmung des Dienstnehmers.
Der Dienstnehmer stellt seine ganze Arbeitskraft in den Dienst des Dienstgebers. Die Übernahme jedweder Nebentätigkeit ist ohne schriftliche Unterrichtung der Geschäftsleitung nicht zulässig. Veröffentlichungen und Vorträge des Dienstnehmers bedürfen der vorherigen Zustimmung der Geschäftsleitung.”
Im Mai 1991 wurde der Kläger zum Geschäftsführer der F. sowie der F1. bestellt. Mit Schreiben vom 07.08.1992 (Bl. 791 GA) sagte die U. Entsorgung GmbH dem Kläger in „vertraglicher Ergänzung Ihres Dienstvertrages” eine vom Jahresergebnis der F./F1. abhängige Tantieme zu. In einem Aktenvermerk der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom ...