Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Gestattung zur Führung von privaten Telefongesprächen durch den Arbeitgeber. Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Anrufens einer Gewinnspielhotline
Leitsatz (amtlich)
1. Gestattet ein Arbeitgeber den Arbeitnehmern auf seine Kosten privat zu telefonieren, bezieht sich diese Erlaubnis auch ohne ausdrückliche Einschränkung nicht darauf, auf Kosten des Arbeitgebers bei einer Gewinnspielhotline (hier: "Das geheimnisvolle Geräusch") anzurufen.
2. Trotz der gegebenen Pflichtverletzung war aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung die alleine noch streitige fristlose Kündigung unwirksam.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Entscheidung vom 13.05.2015; Aktenzeichen 3 Ca 393/15) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 13.05.2015 - 3 Ca 393/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Gerichtskosten erster Instanz der Klägerin zu 60 % und der Beklagten zu 40% auferlegt werden.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Die Klägerin war bei der Beklagten, welche regelmäßig weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 01.02.2014 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 01.02.2014 als Bürokauffrau mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 2.600,00 Euro beschäftigt. Sie wurde gemäß § 4 des Arbeitsvertrags vor allem mit folgenden Tätigkeiten beschäftigt: "Büroorganisation, Bearbeitung der Eingangspost, Unterstützung bei der Finanzbuchhaltung, Personalabrechnung, Führung Kassenbuch, Archivierung von Belegen". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Arbeitsvertrag Bezug genommen.
Im Rahmen ihrer Tätigkeit war die Klägerin unter anderem dafür zuständig, bei der Beklagten eingehende Rechnungen zu kontrollieren und diese einzuscannen. Die Klägerin war nicht berechtigt, die Überweisung des Rechnungsbetrages zu veranlassen. Hierzu waren lediglich der Geschäftsführer der Beklagten und dessen Ehefrau befugt. Die Klägerin verrichtete ihre Tätigkeit in einem Einzelbüro in den Räumen der Beklagten, welches an das Büro des Geschäftsführers unmittelbar angrenzte. Während ihrer Arbeit stand die Tür zu ihrem Büro stets offen. Der Klägerin war es, wie den anderen Mitarbeitern der Beklagten, gestattet, über die Telefonanlage der Beklagten auch private Anrufe zu tätigen, ohne diese gesondert bezahlen zu müssen. Eine Genehmigung, auch kostenpflichtige Sonderrufnummern in Anspruch zu nehmen, hatte die Beklagte nicht erteilt, dies aber auch nicht ausdrücklich untersagt.
Im Monat Januar 2015 tätigte die Klägerin in den Arbeitspausen mehrere Anrufe bei der Gewinnspielhotline eines lokalen Radiosenders im Rahmen des Gewinnspiels "Das geheimnisvolle Geräusch". Hierbei wurde sie jeweils zu Beginn eines jeden Telefonats darauf hingewiesen, dass für den Anruf Kosten in Höhe von 0,50 Euro pro Anruf anfallen. Im Jackpot befanden sich seinerzeit 26.000,00 Euro. Nachdem die Telefonrechnung für den Monat Januar 2015 bei der Beklagten eingegangen war, scannte die Klägerin diese ein, ohne auf die von ihr getätigten Anrufe bei dem Gewinnspiel hinzuweisen. Die Beklagte hatte gegenüber dem Telefonanbieter einen Lastschrifteinzug vereinbart, so dass es keiner Überweisung seitens der Beklagten bedurfte. Nachdem dem Geschäftsführer der Beklagten aufgefallen war, dass auf der Telefonrechnung 37 Einheiten für die Inanspruchnahme von Sonderrufnummern ausgewiesen waren, sprach er die Klägerin am 19.02.2015 darauf an. Die Klägerin wies darauf hin, dass herauszufinden sein müsse, wer die Anrufe getätigt habe, da über einen Einzelverbindungsnachweis die Anrufe der konkreten Nebenstelle der Telefonanlage zuzuweisen seien. Am 20.02.2015 teilte die Klägerin unmittelbar nach Eintreffen des Geschäftsführers in den Büroräumen diesem mit, dass sie Anrufe bei der Gewinnspielhotline getätigt habe. Sie bot an, einen Betrag von 18,50 Euro zu erstatten.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.02.2015, das der Geschäftsführer der Klägerin am 23.02.2015 persönlich aushändigte, fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 31.03.2015.
Die Klägerin hat behauptet, keine besondere Vertrauensposition in der Hierarchie der Beklagten eingenommen zu haben. Sie habe als Sachbearbeiterin Kreditorenrechnungen anhand von Lieferscheinen kontrolliert. Lag ein Lieferschein nicht vor, habe sie die eingehenden Rechnungen nur per Ansicht grob geprüft und in das System der Beklagten eingescannt. Die letzte Prüfung der Rechnungen sei immer durch die Ehefrau des Geschäftsführers erfolgt.
Sie hat eingeräumt, die kostenpflichtige Gewinnspielnummer gewählt zu haben, wobei sie bestritten hat, dies 37mal getan zu haben. Wie oft sie angerufen habe, könne sie nicht mehr sagen. Die Telefonrechnung habe nicht die konkrete Nummer ausgewiesen, sondern lediglich zusammengefasst alle Sondernummern. Die...