Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast für Kündigungsgrund eines Whistle-Blowers vor und nach Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes. Begriff der Datenverarbeitungsanlage im Unternehmen. Kein Verstoß gegen Maßregelverbot bei Kündigung eines Whistle-Blowers. Unbestimmtheit eines Antrags auf Auskunft über Besitz von Daten. Treuwidrigkeit bei Kündigung eines Whistle-Blowers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf Hinweisgeber ("Whistle-Blower") im Kleinbetrieb finden bei internen Hinweisen die Regelungen der Richtlinie EU/2019/1937 keine Anwendung, so dass bei einer ordentlichen Kündigung vor Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes, aber nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie eine Umkehr der Beweislast im Falle behaupteter Maßregelung auch nicht über eine richtlinienkonforme Auslegung des § 612a BGB unter Berücksichtigung des Art. 21 Abs. 5 Richtlinie EU/2019/1937 begründbar ist. Die Beweislast für eine behauptete Maßregelung im Falle einer Kündigung im Kleinbetrieb verbleibt damit beim die Kündigung angreifenden Kläger.

2. Ist zwischen den Parteien umstritten und wird von der Auskunft verlangenden Partei gerade zu den wesentlichen Streitpunkten nicht konkretisiert, was unter der "Datenverarbeitungsanlage" des Unternehmens zu verstehen ist, mangelt es an der Bestimmtheit eines Klageantrages, mit dem Auskunft verlangt wird über alle betriebsinternen Daten und Dokumente, die von dieser "Datenverarbeitungsanlage" auf private Geräte heruntergeladen bzw. kopiert worden sind.

 

Normenkette

BG §§ 138, 242, 612a; MarkenG § 143; ZPO § 253; RL (EU) 2019/1937 Art. 6, 8, 21, 26; BGB § 622; KSchG § 1 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 1, § 138

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.04.2022; Aktenzeichen 11 Ca 450/22)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.04.2022 - Az.: 11 Ca 450/22 - werden zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 70% und die Beklagte zu 30%.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die mit Schreiben der Beklagten vom 17.01.2022 erklärte ordentliche, fristgerechte Kündigung zum 31.03.2022, über einen Provisionsanspruch des Klägers für 2021 sowie über widerklagend von der Beklagten geltend gemachte Gegenansprüche hinsichtlich der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen.

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 2016 als Einkaufs- und Lagerleiter gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.500,00 € beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt der schriftliche Anstellungsvertrag vom 30.12.2019 (Anlage K 1, Blatt 4 ff. der Akte).

Die Beklagte beschäftigt sich mit dem Einzel- und Großhandel sowie dem Im- und Export von Waren aller Art, insbesondere von Haushalts-, Kosmetik-, Deko- und Drogerieartikeln und von Sportgeräten und Schreibwaren sowie dem Betreiben von Onlineshops und der Beratung und beschäftigt regelmäßig nicht mehr als 10 Arbeitnehmer.

Die Beklagte kommunizierte betrieblich unter anderem über das chinesische Kurznachrichtensystem G. mit dem Kläger. Unter dem 29.11.2021 fand über diesen Nachrichtendienst eine Kommunikation des Klägers mit der Geschäftsführerin über einen Provisionsanspruch statt, bei der die Geschäftsführerin dem Kläger um 18:45 Uhr mitteilte: "wenn du meinst, 0,5% provision ist gar nichts, dann ziehen wir zurück. Die Firma ist nicht pflichtig, die Provision an dich zu geben. Für deine Arbeit bekommst du den monatlichen Lohn!". Hintergrund dieser Nachricht war, dass die Beklagte dem Kläger eine Provisionszahlung von 0,5% des Jahresumsatzes anbot, was der Kläger aber nicht für angemessen hielt, weshalb er 1% forderte.

In einem von der j. gegen die Beklagte geführten einstweiligen Verfügungsverfahren wurde der Beklagten mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 17.06.2021 - 2a O 127/21 - untersagt, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Zeichen "T." Toiletten-Spülsteine zu bewerben und/oder anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu exportieren und/oder solche Handlungen durch Dritte begehen zu lassen. Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 01.09.2021, wegen dessen Inhalts auf die Anlage K6 (Blatt 54 ff. der Akte) Bezug genommen wird, bestätigt. In einem weiteren einstweiligen Verfügungsverfahren der vorstehend genannten Parteien wurde der Beklagten mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 25.08.2021 - 2a O 154/21 - untersagt, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Zeichen "T." Bleichmittel für Wäsche, Waschmittel für Wäsche, Mittel zur Beseitigung von Abflussverstopfungen, Entkalkungsmittel für Haushaltszwecke, Reinigungsmittel, Schuhcreme, Bohnerwachs, Weichspülmittel für Wäsche, Seifen, Desinfektionsmittel für hygienische Zwecke, antibakterielle Seifen, desinfizierende Seifen, antibakterielle Handwaschmittel, Stahlwolle für Reinigungszwec...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge