Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang einer Kündigung durch Einwurf in den Briefschlitz der Haustür eines Mehrparteienhauses - Zugangsvereitelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Verfügt ein Haus mit mehreren Mietparteien über keine Briefkästen und erfolgt die Postzustellung üblicherweise durch Einwurf in den dafür vorgesehenen Briefschlitz der Haustür, ist ein auf diesem Weg per Boten zugestelltes Kündigungsschreiben in den Machtbereich des Empfängers gelangt und diesem zugegangen. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Empfängers kommt es nicht an.
2. Ist nach dem eigenen Vorbringen des Empfängers sichergestellt, daß ihn die ihm auf diesem Weg zugestellte Post auch tatsächlich erreicht, kann er unter dem Gesichtspunkt der Zugangsvereitelung nach § 242 BGB nicht geltend machen, ein in den Briefschlitz eingeworfenes Kündigungsschreiben habe ihn nicht erreicht (im Anschluß an LAG Düsseldorf v 12.10.1990 - 4 Sa 1064/90 - LAGE § 130 BGB Nr 14).
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 19.04.2000 - 5 Ca 512/00 - abgeändert:
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
4. Streitwert: unverändert (6.699,00 DM.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte betreibt ein Zeitarbeitsunternehmen mit insgesamt rund 150 Arbeitnehmern. Der zurzeit 45-jährige Kläger war bei ihr seit Januar 1996 als Helfer im Bau- und Brandsanierungsbereich in der Filiale E. zu einem Stundenlohn in Höhe von zuletzt 14,50 DM brutto beschäftigt. In der Zeit vom 04.10.1999 bis 19.12.1999 war er arbeitsunfähig krank. Am 20.12.1999 blieb er der Arbeit fern. Die Gründe seines Fernbleibens sind zwischen den Parteien streitig. Unter dem 20.12., 22.12. und 27.12.1999 verfasste die Beklagte insgesamt drei Abmahnungsschreiben, die sie nach ihren Angaben dem Kläger per Post an seine damalige Anschrift übersandte. Mit Schreiben vom 29.12.1999 kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben brachte sie nach ihrer Behauptung per Boten am 29.12.1999 gegen 17.30 Uhr zur (damaligen) Wohnanschrift des Klägers, wo dieser zur Untermiete wohnte. Das betreffende Haus hat keine Briefkästen, sondern einen Briefeinwurfschlitz in der Haustür.
Mit der am 08.02.2000 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine angebliche Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Hierzu hat er vorgetragen: Eine Kündigung habe er nicht erhalten. Auch die vorgenannten drei Abmahnungsschreiben hätten ihn nicht erreicht. Bei seiner (damaligen) Wohnung sei sichergestellt gewesen, dass an ihn gerichtete Post durch Einwurf in den Briefschlitz der Haustür ihn auch tatsächlich erreiche, und zwar auch im Falle seiner Abwesenheit. Darüber hinaus sei eine Kündigung hier auch inhaltlich ungerechtfertigt.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes
Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Der Kläger habe trotz der drei Abmahnungen weiterhin unentschuldigt gefehlt. Die daraufhin ausgesprochene und ihm per Boten zugestellte Kündigung sei sachlich gerechtfertigt. Den Zugang der Kündigung vom 29.12.1999 habe der Kläger in einem Telefonat mit der Personalsachbearbeiterin am 01.02.2000 selbst bestätigt, ebenso den Erhalt der vorherigen drei Abmahnungen.
Das Arbeitsgericht Essen hat zur Frage des Kündigungszugangs Beweis erhoben und der Klage mit Urteil vom 19.04.2000 - 5 Ca 512/00 - stattgegeben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Der Einwurf eines Kündigungsschreibens in den Briefschlitz der Haustür eines Mehrparteienhauses bewirke noch keinen Zugang, da nicht gewährleistet sei, dass der Empfänger das Schreiben auch tatsächlich erhalte.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 19.09.2000 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehrt, während der Kläger die Zurückweisung der Berufung beantragt. Auf das Berufungsvorbringen beider Parteien wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig: Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).
II.
Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht schließt sich der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht an, wonach von einem Zugang des Kündigungsschreibens an den Kläger nicht ausgegangen werden könne.
1. Zutreffend geht das Arbeitsgericht zunächst davon aus, dass ein Einwurf des Kündigungsschreibens am 29.12.1999 in den Briefschlitz der Haustür des (damaligen) Wohnhauses des Klägers erfolgt ist. Nach dem Ergebnis der erst...