Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsfrist. EuGH-Urteil Kücükdeveci. Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
1. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB ist seit Ablauf der Frist für die Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78 EG unangewendet zu lassen (EuGH vom 19.01.2010 – Kücükdeveci, NZA 2010, S. 85).
2. Der EuGH hat die zeitliche Wirkung der ihm im Vorabentscheidungsverfahren „Kücükdeveci” zur Auslegung vorgelegten Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nicht eingeschränkt. Eine solche Einschränkung kann nur der EuGH in dem Urteil, in dem über die erbetene Auslegung entschieden wird, vornehmen (EuGH vom 06.03.2007 – Meilicke, ZIP 2007, S. 525). Die deutschen Gerichte können daher keinen Vertrauensschutz gewähren (a. A. BAG vom 23.03.2006 (AP Nr. 21 zu § 17 KSchG 1969)).
Normenkette
Richtlinie 2000/78 EG; BGB § 622 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Krefeld (Urteil vom 27.02.2009; Aktenzeichen 2 Ca 2952/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 27.02.2009 – 2 Ca 2952/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts (Ziffer 1 des Urteils) zurückgewiesen ist.
Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, mit welcher Frist das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen gekündigt werden konnte, sowie über einen Anspruch der Klägerin auf Weihnachtsgeld.
Die Klägerin ist am 05.07.1982 geboren. Sie wurde von den Beklagten von August 2003 bis Mai 2006 zur Arzthelferin ausgebildet. Gemäß Arbeitsvertrag vom 31.05.2006 wurde sie sodann mit Wirkung zum 15.06.2006 als Arzthelferin eingestellt. Sie wurde ohne zeitliche Unterbrechung in das Arbeitsverhältnis übernommen.
In § 7 des Arbeitsvertrages heißt es:
„Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(1) Das Arbeitsverhältnis einer Arzthelferin kann mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.
(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis
- zwei Jahre bestanden hat ein Monat zum Ende eines Kalendermonats,
- fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- 12 Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- 15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
- 20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres der Arzthelferin liegen, nicht berücksichtigt.
(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
(4) Die außerordentliche Kündigung richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 626 BGB).
(5) Die Kündigung bedarf der Schriftform.”
Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf diesen Bezug genommen (Bl. 11 – 14 d. A.).
Im Jahr 2003 zahlten die Beklagten der Klägerin ein Weihnachtsgeld in Höhe einer anteiligen 13. Ausbildungsvergütung. Im Jahr 2004 erhielt sie als Weihnachtsgeld den Betrag einer vollen monatlichen Ausbildungsvergütung. Im Jahr 2005 erhielt sie als Weihnachtsgeld nur noch den Betrag einer hälftigen Ausbildungsvergütung. In den Jahren 2006 und 2007 zahlten ihr die Beklagten als Weihnachtsgeld jeweils den Betrag einer halben Monatsvergütung.
Mit Schreiben vom 10.11.2008 kündigten die Beklagten das Arbeitsverhältnis zum 15.12.2008. In diesem Jahr erhielt die Klägerin kein Weihnachtsgeld.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten das Arbeitsverhältnis erst zum 31.01.2009 kündigen können. Ferner hat sie von den Beklagten die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2008 in Höhe einer vollen Monatsvergütung und die Zahlung eines Urlaubsgeldes verlangt.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund einer Kündigung vom 10.11.2008 – zugestellt am 11.11.2008 – zum 15.12.2008 beendet ist, sondern zum 31.01.2009;
- die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 3.215,71 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 272,73 EUR seit dem 01.12.2005, aus weiteren 661,07 EUR seit dem 01.12.2006, aus weiteren 661,07 EUR seit dem 01.12.2007, aus weiteren 1.355,19 EUR seit dem 01.12.2008, sowie aus weiteren 255,65 EUR seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Krefeld hat durch Urteil vom 27.02.2009, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 10.11.2008 zum 15.12.2008 beendet worden ist, sondern erst zum 31.01.2009. Ferner hat es die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 661,07 EUR brutto n...